Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
Rücken, bis du ganz deutlich hörst, wie in der Nähe ein Auto mit keuchender Kupplung von einem Gang in den andern hinüberwechselt und die vierschrötigen weißen Pfosten der Schranke hinter den Kiefernstämmen dämmern. Dann, wenn du sicher bist auf dem festen Asphaltdamm, überlegst du dir, ob du wieder hinuntergehst, nach Haus, oder ob du weiterwanderst zum Gipfel-Hotel hinauf, und dir was zum Lutschen kaufst und einen Blick auf Brewer wirfst, das weit unten ausgebreitet liegt wie ein Teppich, eine rote Stadt, in der alles rot gestrichen wird: Holz, Blech, sogar rote Ziegelsteine, alles mit einem orange-rosa Blumentopfrot, das mit keiner Farbe in keiner Stadt auf der ganzen Welt zu vergleichen ist, aber das die Kinder in diesem Distrikt für die Farbe aller Städte halten, einfach für die Stadtfarbe.
    Der Berg trägt früh die Dämmerung nach Mt. Judge. Jetzt schon, wenige Minuten nach sechs, einen Tag vor Frühlingsanfang, liegen alle Häuser und teergedeckten Fabriken und schräg den Berg hinauf laufen den Straßen im Schatten, der tief in das Ackertal östlich des Berges hineinspült. Baracken am Schattenufer, doppelreihig stehende Ranch- Häuser schmettern von ihren hellen Fenstern den Widerschein der sterbenden Sonne. Eines nach dem andern, so plötzlich wie Lampen, erlöschen dann die Fenster vorm fortebbenden Licht, das sich immer weiter zurückzieht von der Siedlung und dem gelbbraunen, zaun durchzogenen Land, das darauf wartet, bestellt zu werden, und dem Golfplatz, den man aus dieser Entfernung für eine lang sich hinziehen de Weide halten könnte, wenn die gelben Sandflecken nicht wären; es zieht sich zurück in die gegenüberliegenden Hügel, deren westliche Hänge sich noch in vollem Nachmittagsglühen breiten. Am Ende der kleinen Straße bleibt Rabbit stehen, von hier aus hat er eine ganz freie Sicht. Da drüben hat er als Golfjunge gearbeitet.
    Er wendet den Blick ab und wie an Drähten gezogen biegt er in die Jackson Road ein, wo er zwanzig Jahre lang gelebt hat. Seine Eltern wohnen in einem ziegelsteinernen Zweifamilien-Eckhaus, aber gerade die Eckhälfte bewohnen die Nachbarn, die Bolgers, und sie haben noch dazu einen kleinen Garten, um den Mrs. Angstrom sie immer beneidet hat. Die Fenster von den Bolgers kriegen alles Licht, und wir sitzen hier völlig eingekeilt.
    Rabbit stiehlt sich übers Gras zu seinem alten Zuhause hin. Er springt über die niedrige Berberitzenhecke und das Drahtgitter, das dazu da ist, spielende Kinder fernzuhalten. Und schleicht über den Rasenstreifen zwischen den beiden zementierten Wegen, die parallel laufen zu den beiden Ziegelmauern. Hinter der einen hat er gewohnt, hinter der andern die Zims. Mrs. Zim war sehr häßlich und hatte große Basedowaugen und eine bläuliche, schlaffe Haut und schrie den ganzen Tag hinter ihrer Tochter Carolyn her, die so hübsch war, wie man es bei einem fünfjährigen Mädchen nicht für möglich gehalten hätte. Mr. Zim war dicklippig und rothaarig, und bei Carolyn hatte sich dick und dünn, rot und blau, derb und fein aufs trefflichste gemischt. Ihre Schönheit war nicht einfach frühreif, sondern gleichsam absolut, jen seits allen Alters, exotisch. Sogar der sechs Jahre ältere Harry erkannte das. Den ganzen Tag lang schrie Mrs. Zim hinter ihr her, und abends, wenn Mr. Zim nach Hause kam, schrien sie stundenlang zu zweit. Es fing damit an, daß Mr. Zim das kleine Mädchen in Schutz nahm, und als dann die Nachbarn zuhörten, öffneten sich alte Wunden, wie sich nächtens komplizierte Blumen auftun. Mal sagte Mom, Mr. Zim würde Mrs. Zim noch umbringen, dann wieder sagte sie, daß das kleine Mädchen die beiden umbringen würde, nachts, wenn sie schliefen. Es war gar nicht so abwegig: Carolyn hatte etwas Kaltblütiges; als sie schulpflichtig wurde, verließ sie das Haus nie ohne ein Lächeln auf ihrem kleinen herzförmigen Gesicht, und sie schlenderte durch die Straßen, als gehöre ihr die Welt, obwohl die Angstroms doch wußten, daß die Mutter sie während des ganzen Frühstücks hysterisch be schimpft hatte; das Zimsche Küchenfenster war nämlich keine zwei Meter weit weg. Wie hält der arme Mann das nur aus? Wenn Carolyn und ihre Mutter mit diesen ewigen Streitereien nicht bald aufhören, dann wachen sie eines schönen Morgens auf und sind ihren Ernährer los. Aber Mom hatte noch nie recht behalten mit ihren Prophezeiun gen. Als die Zims auszogen, taten sie es zu dritt, Mr. und Mrs. Zim und Carolyn; in einem Kombiwagen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher