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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz
Autoren: John Updike
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machten sie sich davon, während noch die Hälfte ihres Mobiliars auf dem Bürgersteig stand, neben dem Mö belwagen des Transportunternehmers. Mr. Zim hatte einen neuen Po sten bekommen, in Cleveland, Ohio. Arme Seelen, keiner würde ihnen nachweinen. Aber man tat's doch. Sie hatten ihre Haushälfte einem alten Ehepaar verkauft, strenggläubigen Methodisten, und der Mann weigerte sich, den Rasenstreifen zwischen seinem Haus und dem der Angstroms zu mähen. Mr. Zim, der sich an den Wochenenden immer draußen zu schaffen machte, ob Regen, ob Sonnenschein, als sei es sein einziges Vergnügen im Leben, und das wundert mich gar nicht, hatte ihn immer gemäht. Der alte Methodist dagegen mähte ganz genau seine Hälfte – das war einmal rauf und runter mit dem Rasenmäher –, und dann schob er die Maschine rückwärts auf seinen Weg, anstatt sie noch einmal über die andere Hälfte zu ziehen und diesen lächerlichen Strei fen mitzunehmen, was nicht die geringste zusätzliche Mühe gemacht hätte. Wenn ich den alten Gipskopf so selbstgerecht mit dem Mäher über seinen Weg rattern höre, dann steigt mir das Blut zu Kopf und braust mir in den Ohren. Mutter erlaubte weder ihm noch dem Vater, auch nur ein einziges Mal den ganzen Sommer lang den Rasenstreifen zu schneiden, und das Gras wucherte kniehoch auf dem kleinen lichtlo sen Stück Erde, und hohe, weizenähnliche Halme sprossen auf und ein paar Goldruten, bis dann im August ein Mann von der Stadtverwaltung kam und sich auf eine Verordnung berief und sagte, sie müßten es mähen, es tue ihm leid. Harry war an die Tür gegangen und sagte: Gewiß, geht in Ordnung, und da kam Mutter hinter ihm heran und fragte, was denn eigentlich los sei, das sei doch ihr Blumenbeet. Sie habe nicht die geringste Absicht, sich dies Beet zerstören zu lassen. Ihr Sohn, Rabbit, geriet in fürchterliche Verlegenheit. Der Mann sah die Mutter nur an und zog ein kleines abgegriffenes Buch aus seiner Hüfttasche und zeigte ihr die Verordnung. Aber sie blieb dabei: das sei ihr Blumenbeet. Der Mann las ihr vor, wie hoch die Strafe sich belaufen würde, und verließ die Veranda. Am nächsten Samstag, als sie zum Einkaufen in Brewer war, holte Pop die Sichel aus der Garage und legte alle Halme um, und Harry schob die Mähmaschine vor und zurück über den Stoppelrasen, bis er ebenso getrimmt aussah wie der Methodistenstrei fen, nur brauner. Harry fühlte sich sehr schuldig, als er das tat, und er fürchtete sich vor dem Zank, den seine Eltern führen würden, wenn die Mutter zurückkam. Ihre Streitereien waren ihm abscheulich: wenn ihre Gesichter sich im Zorn verzerrten und ganz flach wurden und Worte hin- und herflogen, dann war's ihm, als werde eine Glasscheibe dicht vor ihm aufgerichtet, die ihn von der Luft abschnitt. Ganz schwach wurde ihm dann, und er mußte sich in einem versteckten Winkel des Hauses verkriechen. Diesmal gab es keinen Zank. Der Vater entsetzte Harry, indem er schlichtweg log, und er verdoppelte Harrys Entsetzen, da er ihm auch noch zuzwinkerte, während er log. Er sagte der Mutter, der Methodist habe endlich ein Einsehen gehabt und den andern Rasen streifen nun auch gemäht. Mutter glaubte es, aber sie war keineswegs erfreut; noch den ganzen Tag und die ganze folgende Woche sprach sie davon, daß sie diesen christlichen Derwisch verklagen wolle. Genau besehen, glaubte sie jetzt wirklich, daß es sich um ihr Blumenbeet gehandelt hatte. Der Streifen zieht sich zwischen den beiden Zement wegen nicht viel mehr als einen Fußbreit hin. Und dran entlang zu gehen kommt Harry ganz bedenklich vor, so; als balanciere er auf einer Mauer.
    Er geht bis zum hellen Küchenfenster, tritt auf den Zementweg und paßt auf, daß seine Schuhsohlen nicht knirschen, reckt sich auf die Zehenspitzen und sieht in den einen erleuchteten Winkel hinein. Dort sieht er sich selber sitzen, auf einem hohen Stuhl, und eine jähe, merk würdige Eifersucht steigt in ihm hoch und vergeht wieder. Der dort sitzt, ist sein Sohn. Der zierliche Nacken des Jungen blitzt wie alles in der Küche: die Pfannen und Schüsseln und verchromten Knäufe und Aluminium-Kuchenformen auf den mit glänzendem Wachstuch bespannten Borden. Die Brillengläser der Mutter funkeln, als sie sich vorbeugt über den Tisch, mit einem Löffel voll dampfender Bohnen am Ende ihres fleischigen, gekrümmten Arms. Auf ihrem Gesicht ist nichts zu lesen von den Sorgen, die sie sich machen muß, weil niemand kommt, den Jungen zu holen, sondern es ist
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