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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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vor sich hin. Auf den Ruf Miramare sah ich ihn eine kurze Handbewegung machen. Der Wagen öffnete sich von selbst. Das elektrisch beleuchtete Innere war in Resedafarbe gepolstert und strömte einen leichten Verbenengeruch aus. Sofort schloß sich hinter mir die Tür, und der Wagen setzte sich in Bewegung. Auf einem Eckbrett fand ich Zigaretten. Ich wollte auf den Weg achten, doch als ich die Vorhänge zurückschlug, bemerkte ich, daß statt der Fenster hell polierte Holzplatten in die Wagenschläge eingelassen waren. Zum Öffnen der Türen gab es keinerlei Handhaben. Ich war also ein Gefangener, bis es dem basaltnen Kutscher einfiele, auf den Knopf zu drücken. Nur ein undurchsichtiger Ventilationsapparat an der Decke verband mich mit der Außenwelt. Die fast lautlose Bewegung der Gummiräder machte es mir unmöglich zu unterscheiden, ob ich über Pflaster fuhr, oder ob wir die Stadt etwa verlassen hätten. Die Fahrt dauerte erheblich länger als eine einfache Strecke in der kleinen Stadt. Doch der Kutscher konnte ja den Auftrag haben, durch Umwege meine Vermutungen irrezuleiten. Mein Aufenthalt in der duftenden Helle dieses rollenden Boudoirs war indessen durchaus erträglich. Ich versuchte die Zigaretten, deren auserlesene Qualität ich feststellte. Plötzlich hielt der Wagen an. Während ich draußen Stimmen vernahm, erlosch die elektrische Birne. Der Schlag öffnete sich. Ich sah ein verschneites Gehölz, ein Stück Nachthimmel und ein anderes Coupé. In wenigen Sekunden glitt geschmeidig wie ein fremdländisches Tier eine schwarzgekleidete Gestalt herein, die so dicht verschleiert war, daß ich weder Alter noch Statur erkennen konnte. Sofort schloß sich der Schlag hinter ihr, der Wagen führ weiter. Das Wesen hatte sich in der Finsternis neben mir niedergelassen. Ich beschloß, sie zuerst reden zu lassen. Vorläufig war nichts wahrzunehmen als das Knistern und der Duft schwerer Seide. Dann sagte eine sichere, ziemlich tiefe Frauenstimme: »Geben Sie mir bitte Ihre Streichhölzer.«
    Ich fühlte ihre Hand an meinem Arm. Sie verbarg meine Zündhölzer vermutlich in ihrem Kleid.
    »Geben Sie mir Ihren Revolver!« sagte sie darauf kurz und bestimmt. »Ihren Revolver«, drängte sie.
    Ich versicherte ihr, daß ich nie einen bei mir führe, da ich mir bei meiner Erregbarkeit mehr Unheil als Schutz damit schaffen würde.
    »Außer heute«, bemerkte sie halb ironisch.
    »Ich hatte schlimmstenfalls einen boshaften Scherz zu erwarten«, erklärte ich, »dazu hätte mir dieser Stock genügt. Mit Vergnügen liefere ich ihn aus.«
    »Danke, vor einem Stock habe ich keine Angst.«
    »Aber vor einem Revolver?«
    »Solch ein Instrument«, erwiderte sie rasch, »gibt einem Abenteuer so leicht den Anstrich von faits divers für die Morgenzeitung.«
    In diesem Augenblick bemerkte ich, wie sie etwas Hartes auf das Wandbrett legte. Leise erhob ich die Hand, um den Gegenstand zu befühlen, und machte dabei unvorsichtigerweise ein Geräusch.
    »Was tun Sie?« fragte sie.
    »Ich suche meine Handschuhe.«
    Sofort bereute ich diese dumme Ausflucht.
    »Ich hätte Lust, Licht zu machen«, rief sie lachend, »um zu sehen, ob Sie jetzt erröten.« Ich kam mir vor wie ein Schulknabe.
    »Ich gestehe, mir eine Blöße gegeben zu haben,« sagte ich, »aber verrät es nicht auch eine Schwäche, daß Sie für nötig hielten, einen Revolver mitzubringen, während ich waffenlos kam?«
    »Insofern haben Sie sogar schon einen Sieg zu verzeichnen,« antwortete sie, »als Sie mein Vertrauen besitzen. Ich glaube Ihnen nämlich, daß Sie waffenlos sind.«
    »Darf ich Ihnen die Hand drücken?«
    »Damit Sie mich mit einem Mal durchschauen? Nun, ich habe Pelzhandschuhe an. Hier haben Sie eine maskierte Hand, deren Gestalt nichts verrät.«
    Ich konnte bereits merken, daß ich es mit keiner Bovary zu tun hatte, sondern mit einer ganz bewußt handelnden Frau von abgefeimter Spitzfindigkeit. Manchmal schwieg ich minutenlang, das machte sie nervös.
    »Sie haben wohl heute einen schlechten Tag?« fragte sie.
    »Im Gegenteil, den besten, seit ich in H. lebe. Und Sie?«
    »Ich langweile mich ein wenig.«
    »Zu Ihrer Erheiterung will ich Ihnen verraten, daß Sie in diesem Augenblick genau dasselbe erleben, was der Mann so oft vor Frauen empfindet. Aus Scheu vor Banalität fürchten Sie, die notwendigen ersten Worte auszusprechen. Ich weiß, Frauen amüsiert diese Angst der Männer sehr, denn sie merken, daß man sie zu ernst nimmt. Sie würden ja gar nicht
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