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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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Wenn wir Glück haben, können wir uns wie in einer Versammlung plötzlich erleuchteter Künstler befinden, denen fabelhafte Worte von den Lippen fließen, von deren Glanz sie morgen kaum selbst noch etwas ahnen. Andere verzichten auf den Genuß des Haschischs und bewundern die Wirkung, die er in den übrigen hervorbringt. Wer dazu imstande ist, wird durch Musik oder seltsame Erzählungen den Vorstellungen der übrigen besondere Richtungen zu geben suchen. Werfen Sie einmal einen Blick durch diese offene Tür in die Nebenräume: Dort befinden sich die, welche völlig in die Abgründe der Unbewußtheit versinken wollen.«
    Ich sah in der Dämmerung schlafende Menschen vor venezianischen Spiegeln ausgestreckt.
    »Durch die bunten Glasblumen der Spiegel glauben sie in fabelhafte Wasserteiche unterzutauchen«, sagte der Graf. »Die beiden auf Zehen herumgehenden Männer sind geschickte Diener, die sie gegen Kälte und Durst schützen, da sie in ihrer Willenslähmung vorziehen würden, die Lippen verbrennen zu lassen, als das vor ihnen stehende Getränk selbst an den Mund zu führen.«
    Ich beschloß, gleich meinen Nachbarn, durch eine leichte Haschischdosis nur die Sinne zu verfeinern, die Hemmungsvorstellungen des oft ungerufen tätigen Intellekts zu beseitigen, kurz, ein gesteigertes Leben zu genießen.
    Es herrschte große Ruhe in dem Raum. Bisweilen fielen einzelne französische Worte, deren Aussprache mir verriet, daß die Anwesenden teils Fremde waren. Ich mochte eine halbe Stunde träumend gewartet haben, als in einer Ecke auf einem Clavichord und einer Gambe ein altmodisches italienisches Divertimento gespielt wurde. Ich fühlte mit besonderem Behagen, wie diese Musik mich und die Gegenstände rings durchdrang, durchblutete, durchglomm. Es schien mir selbstverständlich, wie nun alles aufglühte. Das war die eigentliche Farbe des Lebens. Vorher hatten die Dinge geschlafen. Alles rings war leicht und vor allem sehr gütig. Die Undurchsichtigkeit der Gegenstände war wie aufgehoben; alles war farbiges Glas, hinter dem sich nichts mehr verbarg. Die Wortfolgen, die ich hörte, waren bestimmt und einfach, wie mathematische Sätze, auflösbar in Zahlen. Mit einem Blick übersah ich Zusammenhänge, die sonst das Ergebnis mühseliger Überlegung sind; die Worte funkelten in den verschiedenen Farben aller Sprachen. Die Silben Kirche klangen zugleich groß und hell wie église , mißtrauisch-puritanisch wie church . Die Buchstaben Wort enthielten gleichzeitig das talismanähnliche logos , das runenhafte waurd , das spitze fliegende mot , die ein wenig gewichtig aufgeputzte parole . Bei allen Silben klangen wie Untertöne halbverwehte Reime mit. Ich roch, sah, schmeckte jedes Wort, fühlte es an wie Seide oder Marmor. Ich sah nicht mehr bloß Flächen, sondern ganze Körper von allen Seiten zugleich. Und dieser plötzliche Reichtum der Wirklichkeit, aus der ich keineswegs heraustrat, machte mich übersprudelnd glücklich und dankbar, so daß ich gern anderen Leuten Gutes getan hätte, gesetzt, daß ich dabei auf der Ottomane ausgestreckt bleiben konnte. Ich war mir übrigens vollkommen bewußt, wo ich mich befand. Mir war, als hätte ich eine farbige Brille auf. Wenn ich wollte, konnte ich aber auch an den Gläsern vorbeischielen und sehen, wie unbestimmt, verwirrt und verstaubt das Leben eigentlich ist. Ich war Herr meines Willens und konnte nach Laune die Dinge wirklich und gefärbt betrachten.
    Während die dunkelroten Tapeten wie Glaswände erglühten, hinter denen fabelhafte Sonnen in tollen Glutausbrüchen versanken, erhob sich vor diesem blendenden Hintergrund plötzlich ein Kopf, der sich so ungeheuer ausdehnte, daß er mein ganzes Gesichtsfeld einnahm. Zwischen dem reichen rötlichen Bart bemerkte ich feste, dünne Lippen. Das blasse Gesicht war fast starr, und in der Erinnerung meine ich, es hätte bisweilen leichenhaft grüne und violette Reflexe angenommen. Dieser Mann sagte, er sei in Deutschland geboren, und so möge man ihm die unvollkommene Aussprache des Französischen verzeihen. Seine klaren verständlichen Worte erweckten meine Neugier. Bewußt hielt ich mich wieder an der Wirklichkeit fest und beschloß, dem Mann aufmerksam zuzuhören, in dem ich denselben erkannte, der vorher auf einem Clavichord gespielt hatte. So leicht es mir auch wurde, im Geist seinen Worten zu folgen, so froh war ich, dabei den Körper nicht bewegen zu müssen. Er erzählte eine Geschichte, aus der mir Bilder und Gespräche mit
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