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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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nachdenken, ob es banal ist, wenn man über das Wetter spräche. Ich will nun auch einmal kritiklos wie eine Frau sein. Fragen Sie mich doch einfach, wie es mir in H. gefällt, ob es in Deutschland ebenso schön ist ...«
    »Aber Sie können das alles doch auch ungefragt sagen«, erwiderte sie verblüfft, fast gekränkt.
    »Mir kommt es ja gar nicht darauf an zu reden«, sagte ich lachend. »Es langweilt mich nicht im geringsten, mit einer Unbekannten, unter der ich mir nach Belieben eine Semiramis oder die Otéro vorstellen kann, schweigend durch unbekannte Gegenden zu rollen und ihr zu überlassen, mir die außerordentlichsten Überraschungen zu verschaffen. Aber wenn Sie sprechen wollen, stehe ich gerne zur Verfügung.«
    »Ist das eigentlich eine Unhöflichkeit?« fragte sie naiv.
    »Da ich Sie selbst noch nicht kenne, finde ich es interessanter, an Cleopatra zu denken, als an eine Gouvernante aus den Romanen von Mrs. Bradford.«
    »Nun will ich Ihnen freiwillig meine Hand geben«, sagte sie plötzlich. »Ich glaube, mir von dem Abenteuer etwas versprechen zu dürfen.«
    Langsam schoben sich kühle, trockene Finger auf die meinen. Ich fühlte eine jener schlanken, fast etwas zu knochigen Hände mit langen, an den Gelenken etwas ausbuchtenden Fingern, deren zitternde Beweglichkeit stets andere Formen hervorzubringen scheint.
    »Glauben Sie, daß ich schön bin?« fragte sie, während ich im Dunkeln mit ihrer Hand spielte, die sich langsam in der meinen erwärmte.
    »Nein«, erwiderte ich, »aber Ihre Hand verrät eine Seele, die das Schönsein überflüssig macht.«
    »Ah«, rief sie entrüstet, überrascht und verlegen zugleich. Sie rückte weg. Da ich mich gleich ihr schweigend in die Ecke lehnte, begann sie wieder nervös: »Warum, glauben Sie, habe ich diese ganze Geschichte eingeleitet?«
    »Vermutlich aus Neugier?«
    »Vermutlich? Halten Sie mich etwa für temperamentlos?«
    Statt einer Antwort schlang ich heftig die Arme um sie, während sie sich wehrte, bahnte ich mir den Weg zu ihrem verschleierten Antlitz und drückte meine Lippen auf die ihren. Der Widerstand wurde immer schwächer unter einem Kuß, währenddessen ich den Pudergeruch von nicht mehr in allererster Jugend blühenden Wangen einsog. Ihr dünner feiner Mund jedoch hatte etwas so naiv Anschmiegendes, daß ich den – vielleicht irrigen – Eindruck empfing, als entdeckte sie zum ersten Mal die Wonnen eines Kusses.
    Plötzlich stieß sie mich von sich, als hätte ich sie durch irgend etwas verletzt. »Sie gefallen mir nicht mehr.«
    »Weil sich ihre Neugier nicht so schnell befriedigen läßt, als Sie glaubten?«
    »Und Sie? Sind Sie zufrieden?«
    »Noch lange nicht!« erwiderte ich kühl.
    »Und das sagen Sie so ruhig?«
    »Durchaus, weil ich der Befriedigung gewiß bin.«
    »Das ist stark.«
    »Finden Sie?« Ich preßte sie wieder in die Arme. Sie suchte sich loszumachen.
    »Lassen Sie mich, oder ich schelle dem Kutscher.«
    »Schellen Sie!«
    Ohne daß ich eine Bewegung von ihr wahrgenommen, hielt der Wagen. Im selben Augenblick öffnete sich der Schlag, um sie hinauszulassen, und schloß sich wieder. Die elektrische Birne erglühte, der Wagen setzte sich in schnelle Bewegung. Ich fand mich wieder als einsamer Gefangener in der duftenden Helle des Boudoirs. Sollte ich mir durch zu schnelles Vorgehen das Abenteuer verdorben haben, währenddessen ich vielleicht das Idol meiner Träume umarmte oder eine antike Kurtisane zu mir herabgestiegen war? Am meisten neigte ich jedoch dazu, mir eine grünäugige Perverse mit kleinen Katzenzähnen vorzustellen. Plötzlich unterbrach das Anhalten des Wagens meine Gedanken. Der Schlag öffnete sich, ich stieg aus und befand mich an der bekannten Straßenecke. Noch ehe ich Zeit gefunden, dem Kutscher eine Münze zu geben, fuhr der Wagen davon. Ich stand am Weg wie ein Bettelknabe, der, aus einem Märchentraum erwacht, sich in der Wirklichkeit noch nicht wieder zurechtzufinden weiß.
    Eine Woche lang mochte ich über das Abenteuer gegrübelt haben, als mir eines Morgens wieder ein Brief der Unbekannten gebracht wurde. In einem von dem vorigen weit entfernten Stadtviertel würde mich ihr Coupé am nächsten Abend um dieselbe Stunde erwarten.
    Wieder war ich während einer halben Stunde ein Gefangener in dem hellen, rollenden Boudoir. Als der Wagen anhielt, erwartete ich eine Wiederholung der Vorgänge des letzten Zusammentreffens. Statt dessen befand ich mich in dem Hof eines palastähnlichen Gebäudes. Vor
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