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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman
Autoren: Oliver Uschmann
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Spezialgäste schon da?«, frage ich flüsternd, und Hartmut nickt. Sie müssen wohl später gekommen sein, als ich mir im Hardcore-Raum mit Martin die Zähne eingerammt habe. »Hey, Leute, kommt, gehen wir in mein Zimmer!«, sage ich, und Patrick, Ole und Kai folgen widerwillig, fast schon darauf dressiert, die nächste schlimme Prüfung zu erwarten. Umso mehr strahlen sie, als sie sehen, was sie wirklich erwartet. Auf meinem Hochbett und meiner kleinen Couch sitzen drei Mädchen aus Hartmuts Uni. Sie tragen Trainingsjacken oder leichte Pullis, haben zurückgebundene Rastas, völlig kaputte Chuck’s oder alte Sportschuhe in winzigen Größen und stecken in bunten, ironisch gemeinten Werbeshirts, auf denen Ahoi Brause oder Pril steht. Im Hintergrund läuft Pavement, und sie singen leise mit, während sie schrecklich billiges Bier aus kleinen Einwegflaschen trinken. Eine Flasche Rotwein steht auf dem Schreibtisch. Es riecht ganz leicht nach Dope. Kai, Ole und Patrick machen ein Gesicht, als wären sie nach zwölf Tagen aus der Gefangenschaft befreit worden, und lassen sich von mir vorstellen. Wir setzen uns, und eines der Mädchen fragt mich, ob ich für alle eine Tüte drehen kann. Ich nicke und mache mich an die Arbeit, während Tocotronic »So jung kommen wir nicht mehr zusammen« anstimmen. Die Mixkassette haben Hartmut und ich extra für diesen Abend und diesen Raum erstellt. Sie wiegen sich ein wenig in der Musik, und ich nicke mit im Rhythmus, als ich die Tüte baue und ziemlich große Krümel untermische. »Ganz schöne Freaks hier im Haus, was?«, sage ich plötzlich, und die Studenten sehen mich an, als würde ihnen ein riesiger Stein vom Herzen fallen. »In der Tat!«, sagt Kai, und Patrick und Ole lachen erleichtert. »Wie kommt ihr an solche Leute?«, fragt Patrick, und ich antworte: »Weißt du, die hängen einem so an. Alte Kumpels, die man nicht wirklich abwimmeln kann, und deshalb sammeln wir sie alle einmal im Jahr für eine Fete zusammen und haben dann sozusagen unsere Pflicht getan.«
    »Clever, sehr clever«, sagt Ole und raucht seine Selbstgedrehte zu Ende, damit er gleich an dem Joint ziehen kann.
    »Dann arbeitest du also doch nicht bei UPS mit diesem Hardcore-Typen, oder?«
    »Ach was«, sage ich, »ich wollte euch bloß foppen. War alles ironisch gemeint. Den Martin kenne ich von früher. Ich studiere auch, SoWi und Philo, aber in Essen. Hat sich so ergeben.«
    Wieder höre ich einen Stein von ihren Herzen plumpsen.
    Beiläufig lecke ich den Joint fertig, gebe ihn Kai zum Anzünden, ziehe meinen Pulli aus und offenbare ein altes T-Shirt von Astra Bier, auch so ein Kult-Teil, so was Ironisches.
    Wenn das so weitergeht mit den Steinen, die ich plumpsen höre, brechen wir hier bald zum Keller durch. Wir fangen an, den Joint zu rauchen, und die Mixkassette spielt jetzt Postrock. »Hm, erste Platte von Tortoise, sehr schön«, sagt Ole.
    »Das tut mal gut nach diesen ganzen Rockisten da im Westflügel, was?«, sage ich, und die Studenten strahlen mich an, weil ich ihnen so treffend aus dem Herzen spreche.
    »Echter Männerschweiß, Musik mit Eiern!«, macht Kai jetzt Uwe nach und stellt dafür seine Stimme tief, und alle lachen. »Wart ihr denn noch nicht in den anderen Zimmern?«, fragt Ole jetzt die Mädchen, und die kichern und schütteln die Köpfe. »Nach dem, was ihr erzählt, war das wohl eine gute Entscheidung, was?«
    Die Jungs lächeln und nicken eifrig.
    »Völlig wahnsinnig, alle! Wie ernst die sich nehmen! Und diese Prolls hinten im Lagerraum. Versteh mich nicht falsch, aber … «
    Ich winke ab und sage, dass es okay ist.
    »Und dann die Typen hier nebenan mit ihrem Playstation-Turnier. Meine Güte! … Ach, hör mal: Console! Die habe ich mal in Köln in diesem schnieken Elektronik-Club gesehen. Fand ich irgendwie etwas zu nobel da, viele Yuppies und so. Das passt nicht da hin, die müssen in die kleinen Zentren irgendwie … «
    Und so kiffen wir, trinken ironisches Bier und ergehen uns in Geplauder über Bands und Clubs, während die drei Jungs und Mädels ganz langsam einander näher kommen wie sich zur Sonne neigende Blüten. Eines der Mädchen hat kleine Glöckchen in die Schuhriemen gebunden und erzählt Patrick davon, dass sie letzten Sommer ein Praktikum bei L’Arge d’Or gemacht hat, dem Plattenlabel, das die hippe neue Indie-Szene und elektronische Musik verlegt. Der Joint kommt bei ihnen an, und Patrick lässt ihn fast fallen und verbrennt sich leicht, da er den Blick
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