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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman
Autoren: Oliver Uschmann
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nicht mehr von ihr lassen kann. Sie lächelt, streift sich mit einer leichten Geste ein Strähnchen aus dem Gesicht und hilft Patrick mit der Tüte. Kai und das Mädchen mit den Rastas tauschen derweil ihre Erfahrungen mit alternativen Clubs und kleinen Konzerten aus. Sie reden über Büchertische und Betreiberkollektive und Ortsgruppen und lachen, wenn sie merken, dass sie sich beide an den Geruch in irgendeinem autonomen Zentrum erinnern, wo das Wasser seit Jahren ungewechselt im Klo steht. Als das Mädchen sagt, dass sie es lieber so ein bisschen eklig hat, wenn dafür alles schön unkommerziell und herzlich sei, spielt Kai ihr plötzlich mit glasigen Augen an einer Rastalocke herum und fängt an zu schweben, weil sie es einfach geschehen lässt. Ole und seine Auserwählte stöbern derweil in dem Karton mit CDs, den Hartmut und ich zum Teil von Fremden herbeigeschafft haben. Eine völlig reinblütige Sammlung ironisch gebrochener oder postmodern durchreflektierter Musik von schlunzigem Indiepop bis experimenteller Elektronik. Schlager sind natürlich auch dabei und der Soundtrack von Pulp Fiction , und so findet unsere Kassette bald ein Ende, und Ole führt zu Nino de Angelo einen ironisch gebrochenen Tanz mit Luftmikro auf meiner Beistellcouch auf, an dessen Ende er seiner Angebeteten, deren zerfledderter Pulli die kleinen BH-Träger freigibt, auf Knien entgegenrutscht und nach den letzten Zeilen vor ihr zusammenbricht. Dann hören wir diese akustische Mutations -Platte von Beck.
    Nach einiger Zeit betritt Uwe den Raum und lächelt uns an. »Na, watt geht denn hier für ’ne Party? Oh, wie riecht datt? Darf man mitkiffen?« Ehe die anderen abwinken können, nicke ich und biete Uwe den Platz neben mir an, schließlich ist es mein Zimmer. Ich beauftrage Uwe mit dem Drehen, und er schnipselt eine so große Tüte zusammen, wie man sie sonst nur in billigen Sketchen von Dieter Hallervorden sieht. Dann horcht er auf und sagt: »Watt läuft denn hier für schreckliche Musik?« Er spricht das Wort wie »Musick« aus, mit kurzem »u« und hartem »k«.
    »Willst wohl lieber harten Rock für Männer mit Eiern, was?«, sagt Kai jetzt mutig, und Uwe blickt zu ihm auf wie John Wayne zu einem winzigen Hilfssheriff. »Watt will der denn?«, fragt mich Uwe und dreht weiter an der Tüte. »Nix für ungut«, sagt Kai und grinst ironisch. Als Uwe die Tüte fertig hat und das gute Stück rumgeht, ergehen sich die Mädchen in einer Diskussion über alternative Kultur an der Uni und wie schade es wäre, dass bei den Newcomer-Konzerten immer nur so bierernste Fleißjüngchen mit ihren trendigen Poppunk- und New-Metal-Bands spielen würden und selten mal was wirklich Interessantes, Witziges, Ironisches. Kai, Patrick und Ole sehen die Mädchen bei diesen Ausführungen an, als würde jedes Wort ihr Herz mehr umranken und ihnen die Fähigkeit zum Sprechen und Denken für die nächsten Tage rauben. Uwe sagt plötzlich: »Ich weiß gar nicht, was ihr habt, et kommt doch nur auf die Mucke an, oder?« Wieder fällt ihm ein kleiner Brocken aus dem Ohr und bleibt in den Haaren hängen. »Nein, eben nicht!«, sagt Kai jetzt ärgerlich und setzt zu einem kleinen Vortrag an, bis Uwe abwinkt und sagt: »Wisst ihr was, ich glaube, ihr nehmt das alles viel zu ernst!« Dann steht er auf und tapst wieder in den Westflügel. Als er die Tür kurz öffnet, schwappt das Gepiepse und Gebounce von Hartmuts Playstation-Turnier in den Raum.
    »Soll ich uns mal in der Küche meinen Spezialdrink mixen?«, fragt jetzt eines der Mädchen und macht strahlend große Augen, die den drei Jungs in perfekter Synchronie ein »Au jaaaa!« aus dem Mund ziehen. Als sie den Raum verlässt, rutscht ihr T-Shirt hoch, und man kann ein klein wenig ihre Unterwäsche sehen. »Hilfst du mir?«, fragt sie mich, und ich spüre ein paar männliche Pfeile in meinem Nacken, als ich sie in die Küche begleite. Im fahlen Licht über der Spüle lächeln wir uns an, lächeln uns wirklich an, wie sich nur zwei Menschen anlächeln können, die jetzt ihr mitgebrachtes Spezialpulver in eine der beiden Flaschen Whisky-Cola verteilen und wissen, dass es heute noch spaßig wird. »Wann setzt die Wirkung ein?«, flüstere ich, und sie sagt: »In etwa einer Stunde.« Ihre Rastas irritieren mich immer noch. Wir markieren die saubere Flasche und gehen ins Zimmer zurück.
    Als wir musikalisch in den 70ern angekommen sind und uns mit einem ironischen Augenzwinkern den alten Islamistenbruder Cat Stevens
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