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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig
Autoren: Jim Butcher
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herbeigeführt. Einfach nur ich, eine Kanone und eine in sich zusammengesunkene Leiche. Ich konnte mich noch lebhaft an meine Entscheidung zu schießen erinnern, an das Gefühl des kalten Metalls in meiner Hand, den widerspenstigen Abzug meines Revolvers, an das Donnern des Pistolenschusses, die Art, wie der Körper als Haufen erschlaffter Gliedmaßen zu Boden gesunken war und wie das tatsächliche Ausführen dieser Tat irgendwie viel zu einfach für die schreckliche Tragweite schien.
    Ich hatte gemordet. Ich hatte absichtlich das Leben eines Menschen ausgelöscht, und das verfolgte mich nächtens nach wie vor in meinen Träumen.
    Ich hatte keine andere Wahl gehabt. Wenn ich dem Totengreifer auch nur den Bruchteil einer Sekunde gelassen hätte, hätte er tödliche Magie heraufbeschwören können, und das Beste, worauf ich hätte hoffen können, wäre ein Todesfluch gewesen, der mich in dem Moment umgebracht hätte, in dem ich den Nekromanten niederstreckte. Es waren ein, zwei ganz schön miese Tage und ich war zu diesem Zeitpunkt ziemlich am Ende gewesen. Selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, hegte ich den Verdacht, dass der Totengreifer in einem fairen Kampf mit mir den Boden aufgewischt hätte. Also hatte ich ihm einfach keinen fairen Kampf geliefert. Ich hatte dem Nekromanten in den Hinterkopf geschossen, da ich den Totengreifer aufhalten musste und keine andere Wahl gehabt hatte.
    Ich hatte sie auf Verdacht hingerichtet.
    Kein gerichtliches Verfahren. Kein Seelenblick. Kein Urteil eines unparteiischen Schlichters. Hölle, ich war nicht mal das Risiko eingegangen, eine gute Beleidigung an den Mann zu bringen. Peng. Platsch. Ein lebender Magier, ein toter Bösewicht.
    Ich hatte es getan, um mich und andere vor Schaden zu bewahren. Es war sicher nicht die beste Lösung gewesen – aber der einzige Ausweg. Keine Frage, ich hatte es getan und keine Sekunde innegehalten, da ich mich in dieser Nacht noch weiteren Gefahren zu stellen hatte.
    Wie man es als Wächter tut. Irgendwie machte das meine moralische Überlegenheit ziemlich zunichte.
    Geheimnisvolle blaue Augen musterten mein Gesicht, und er nickte langsam. „Sie haben sie gerichtet“, stellte der Merlin ruhig fest. „Weil es erforderlich war.“
    „Das war etwas anderes“, antwortete ich.
    „Das ist wahr. Ihre Tat bedurfte einer weit größeren persönlichen Überzeugung. Es war dunkel, kalt, und Sie waren allein. Die Verdächtige war stärker als Sie. Hätten Sie zugeschlagen, ihn aber verfehlt, wären Sie ums Leben gekommen, und dessen ungeachtet mussten Sie tun, was Sie damals taten.“
    „Notwendig ist nicht dasselbe wie richtig“, sagte ich.
    „Möglicherweise nicht“, meinte er. „Aber die Gesetze der Magie sind das Einzige, was Magier davon abhält, ihre Macht über Sterbliche zu missbrauchen. Das lässt keinen Spielraum für Kompromisse. Sie sind jetzt ein Wächter. Sie müssen sich auf Ihre Pflicht Sterblichen und dem Rat gegenüber konzentrieren.“
    „Was hie und da bedeutet, Kinder umzubringen?“ Diesmal verbarg ich meine Abscheu nicht, auch wenn ich nicht besonders überzeugend klang.
    „Was bedeutet, zu jeder Zeit die Gesetze der Magie durchzusetzen“, erwiderte der Merlin, und sein Blick bohrte sich in meinen. In seinen Augen flackerte unnachgiebige Wut. „Es ist Ihre Pflicht. Mehr als je zuvor.“
    Ich brach den Blickkontakt als erster, ehe etwas Schlimmes passieren konnte. Ebenezar stand ein paar Schritte von mir entfernt und musterte meinen Gesichtsausdruck.
    „Zugegeben, Sie haben für einen Mann Ihres Alters schon sehr viel mit angesehen“, fuhr der Merlin fort, und sein Tonfall wurde fast unmerklich sanfter. „Aber Sie haben noch nicht gesehen, wie schlimm die Dinge wirklich stehen können. Nicht mal ansatzweise. Die Gesetze bestehen aus einem Grund, und sie müssen eingehalten werden, wie sie geschrieben stehen.“
    Ich wandte den Kopf ab und starrte auf die kleine, rote Lache auf dem Boden des Lagerhauses neben der Leiche des Jugendlichen. Man hatte mir seinen Namen nicht genannt, bevor sie ihn getötet hatten.
    „Genau“, seufzte ich müde und wischte mit einem sauberen Teil meines Wächtermantels über mein blutbeflecktes Gesicht. „Ich sehe auch, womit sie geschrieben sind.“

2. Kapitel
    I ch kehrte ihnen den Rücken und verließ das Lagerhaus. Chicago gab sich alle Mühe zu tun, als sei es Miami. Der Sommer im Mittleren Westen fällt meist zumindest schwül aus, doch in diesem Jahr war die Sommerhitze besonders
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