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Harry Dresden 08 - Schuldig

Harry Dresden 08 - Schuldig

Titel: Harry Dresden 08 - Schuldig
Autoren: Jim Butcher
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sengend heiß an. Seine Augen blitzten vor azurblauem Zorn, und in seiner Stimme grollte tiefe, unbeirrbare Autorität. „Die Macht, die er einsetzte, hatte seine Gedanken zerfressen. Was wir taten, war notwendig.“
    Ich drehte mich um und sah dem Merlin direkt ins Gesicht. Ich schob mein Kinn nicht vor und versuchte auch nicht, ihn niederzustarren. Meine Körperhaltung war weder streitlustig noch provokativ. Zorn war in meinem Gesicht nicht zu erkennen, und in meiner Stimme lag nichts Respektloses, als ich sprach. Die letzten Monate hatten mich gelehrt, dass der Merlin nicht durch eine Werbeanzeige auf einer Zündholzschachtel an seinen Job gekommen war. Er war schlicht und einfach der mächtigste Magier auf Erden. Mit seiner reinen Stärke gingen Talent, Können und Erfahrung einher. Wenn es je soweit kam, dass wir uns magisch in die Haare kriegten, würde von mir nicht einmal genug übrig bleiben, um es in eine Papiertüte zu kehren. Ich wollte auf keinen Fall eine Auseinandersetzung riskieren.
    Aber ich wollte auch auf keinen Fall klein beigeben.
    „Er war ein Kind“, sagte ich. „Wir alle waren das einmal. Er hatte einen Fehler gemacht. Wie wir alle allzu oft.“
    Der Merlin betrachtete mich mit einem Ausdruck, der irgendwo zwischen Verärgerung und Verachtung lag. „Sie sind sich darüber bewusst, was das Wirken von schwarzer Magie mit einem Menschen anstellen kann“, entgegnete er. Unglaublich subtile Schattierungen und Betonungen in seinen Worten fügten ohne jeden Zweifel einen unausgesprochenen Gedanken hinzu: „Sie wissen das so genau, weil Sie ebenfalls schwarze Magie ausgeübt haben. Früher oder später werden Sie sich einen Schnitzer erlauben, und dann sind Sie an der Reihe.“
    Laut sagte er: „Wer einmal schwarze Magie wirkt, wird das erneut tun. Immer wieder.“
    „Das höre ich auch dauernd“, antwortete ich. „Sag nein zu schwarzer Magie. Aber dieser Junge hatte niemanden, der ihm die Regeln beibrachte, der ihn unterwies. Wenn irgendjemand von seiner Gabe gewusst und rechtzeitig etwas unternommen hätte…“
    Er hob die Hand, und diese einfache Geste trug eine derart endgültige Autorität in sich, dass ich verstummte, um ihn sprechen zu lassen. „Der Punkt, der Ihnen entgeht, Wächter Dresden“, meinte er, „ist folgender. Der Knabe, der einen törichten Fehler begangen hatte, ist lange vor dem Zeitpunkt gestorben, an dem wir den Schaden entdeckten, den er anrichtete. Das, was von ihm noch übrig war, war im Großen und Ganzen nur noch ein Ungeheuer, das in seinem Leben nichts anderes mehr getan hätte, als seinen Mitmenschen Schrecken und Tod zu bringen.“
    „Ich weiß das“, erwiderte ich, und diesmal gelang es mir nicht, Wut und Frustration aus meiner Stimme zu verbannen, „und ich weiß, was getan werden musste. Ich weiß, dass das der einzige Weg war, ihn noch aufzuhalten.“
    Kurz fürchtete ich, mich erneut übergeben zu müssen, also schloss ich die Augen und stützte mich auf das massive Eichenholz meines beschnitzten Stabes. Ich bekam meinen Magen wieder unter Kontrolle und öffnete die Augen erneut, um dem Merlin direkt ins Gesicht zu sehen. „Aber das ändert nichts daran, dass wir gerade einen Jungen umgebracht haben, dem wahrscheinlich zu wenig bewusst war, was da genau mit ihm geschah.“
    „Sie sind wahrhaft nicht in der Position, den Stein zu werfen, jemandem einen Mord zu unterstellen, Wächter Dresden.“ Der Merlin zog eine silberne Augenbraue hoch. „Haben Sie nicht selbst aus kürzester Entfernung eine Pistole auf den Hinterkopf einer Frau abgefeuert, von der sie nur glaubten, es könne sich um den Totengreifer handeln, was diese tödlich verwundete?“
    Ich schluckte. Zur Hölle, genau das hatte ich ein Jahr zuvor getan. Das war wohl einer der riskantesten Münzwürfe meines Lebens gewesen. Wenn ich damals falsch gelegen hätte, wenn der körpertauschende Magier, den man unter dem Namen Totengreifer kannte, nicht in den Körper der Wächterin Luccio gefahren gewesen wäre, hätte ich nicht nur eine unschuldige Frau ermordet, sondern außerdem noch eine Gesetzeshüterin des Weißen Rates.
    Doch ich hatte mich nicht geirrt – aber bis zu diesem Zeitpunkt … hatte ich noch nie jemanden einfach getötet. Zugegeben, in der Hitze des Gefechtes hatte ich sehr wohl Leben genommen, und indirekt war ich ebenfalls für Todesfälle verantwortlich. Aber den Tod des Totengreifers hatte ich aus nächster Nähe, kalt berechnend und in keinster Weise indirekt
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