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Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Harry Bosch 15 - Neun Drachen

Titel: Harry Bosch 15 - Neun Drachen
Autoren: Michael Connelly
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Festnahmeteams zu begleiten, ging er in sein Büro. Bosch war deshalb vorerst davon befreit, die Frage des Lieutenant beantworten zu müssen, und konnte sich ganz auf Ferras konzentrieren.
    »Okay, dann bleib, wo du bist«, sagte er. »Und gib mir Bescheid, wenn sich irgendetwas tut.«
    »Weißt du was, Harry?«
    »Nein, was, Ignacio?«, fragte Bosch ungeduldig zurück.
    »Du hast mir keine Chance gegeben, Mann.«
    Ferras’ weinerlicher Ton ging Bosch auf die Nerven.
    »Was für eine Chance? Wovon redest du eigentlich?«
    »Ich rede davon, dass du dem Lieutenant gesagt hast, dass du einen anderen Partner willst. Du hättest mir noch mal eine Chance geben sollen. Jetzt versucht er, mich zu den Autodiebstählen zu versetzen. Er meint, auf
mich
könnte man sich nicht verlassen, und deshalb wäre ich derjenige, der gehen muss.«
    »Jetzt hör mal gut zu, Ignacio. Das geht jetzt schon zwei Jahre so, ja? Ich habe dir zwei Jahre lang eine Chance nach der anderen gegeben. Aber jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um darüber zu reden. Das machen wir später, ja? Aber erst mal bleibst du, wo du bist. Wir fahren jetzt los.«
    »Nein, du bleibst, wo du bist, Harry.«
    Bosch stutzte.
    »Was soll das jetzt bitte heißen?«
    »Es heißt, dass ich Li übernehme.«
    »Auf keinen Fall, Ignacio. Du bist ganz allein. Du gehst nicht in diesen Laden, bevor nicht ein Festnahmeteam bei dir eingetroffen ist, kapiert? Wenn du ihm unbedingt selbst die Handschellen anlegen möchtest, meinetwegen, kannst du haben. Aber du wartest, bis wir da sind.«
    »Ich brauche kein Team, und ich brauche vor allem dich nicht, Harry.«
    Ferras unterbrach die Verbindung. Bosch drückte die Wiederwahl und ging zu Gandles Büro.
    Ferras nahm nicht ab, und der Anruf ging direkt an die Mailbox. Als Bosch Gandles Büro betrat, knöpfte der Lieutenant gerade sein Hemd über der kugelsicheren Weste zu, die er für den Einsatz angelegt hatte.
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagte Bosch. »Ferras schert aus.«

47
    A ls Bosch von der Beerdigung nach Hause kam, nahm er seine Krawatte ab und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Dann ging er auf die Terrasse, setzte sich in den Liegestuhl und schloss die Augen. Er überlegte, ob er Musik auflegen sollte, vielleicht was von Art Pepper, etwas, was ihm den Blues austrieb.
    Aber er stellte fest, dass er nicht in der Lage war, sich von der Stelle zu rühren.
    Er ließ einfach die Augen geschlossen und versuchte, so viel wie möglich von den zwei Wochen zu vergessen, die gerade vergangen waren. Er wusste, das war eine unlösbare Aufgabe, aber einen Versuch war es trotzdem wert, und das Bier würde ihm dabei helfen, wenn auch nur vorübergehend. Es war das letzte im Kühlschrank gewesen, und er hatte sich geschworen, dass es auch das letzte bliebe. Er musste sich jetzt um seine Tochter kümmern, und dafür musste er sich ihr von seiner besten Seite zeigen.
    Als hätten die Gedanken an sie Madeline heraufbeschworen, hörte er die Schiebetür aufgehen.
    »Hi, Mads.«
    »Dad.«
    In nur diesem einen Wort klang ihre Stimme anders als sonst, aufgewühlt. Er öffnete die Augen und blinzelte in die Nachmittagssonne. Sie hatte sich bereits umgezogen und trug jetzt eine Jeans und ein Hemd. Beides stammte aus dem Rucksack, den ihre Mutter für sie gepackt hatte. Bosch war nicht entgangen, dass sie die wenigen Sachen, die ihre Mutter in Hongkong für sie zusammengesucht hatte, häufiger trug als die vielen Kleider, die er mit ihr gekauft hatte.
    »Was ist?«
    »Ich wollte mit dir reden.«
    »Klar.«
    »Das mit deinem Partner tut mir wirklich leid.«
    »Mir auch. Er hat einen schweren Fehler gemacht und dafür bezahlt. Allerdings finde ich nicht, dass die Strafe dem Vergehen angemessen war.«
    Boschs Gedanken kehrten kurz zu der bestürzenden Szene im Büro von Fortune Fine Foods & Liquor zurück. Ferras, der mit vier Schüssen im Rücken bäuchlings auf dem Boden lag. Robert Li, der zitternd und winselnd in der Ecke kauerte und auf die Leiche seiner Schwester stierte. Nach den Schüssen auf Ferras hatte sie die Waffe gegen sich selbst gerichtet. Mrs. Li, die Matriarchin dieser Familie von Mördern und Opfern stand stoisch in der Tür, als Bosch eintraf.
    Ignacio hatte Mia nicht kommen sehen. Sie hatte ihre Mutter im Supermarkt abgesetzt und war danach weggefahren. Aber aus irgendeinem Grund war sie zurückgekommen und hatte das Auto unbemerkt auf dem kleinen Mitarbeiterparkplatz abgestellt. Im Bereitschaftsraum wurde später
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