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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Autoren: Michael Connelly
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Zweck, für ein zerbrechliches Leben sorgen zu können, das so sehr von ihnen abhängig war. Nichts war gesagt oder geschrieben worden, um ihn auf das Gegenteil vorzubereiten, auf die Einsicht, die ihm in dem Moment gekommen war, in dem er sie zum ersten Mal in den Händen gehalten hatte: dass sein Leben von jetzt an von ihrem abhing.
    Er legte seine Hand auf ihren Rücken. Sie rührte sich nicht. Er konnte ihr winziges Herz schlagen spüren. Es schien hastig und verzweifelt, wie ein geflüstertes Gebet. Manchmal zog er sich den Schaukelstuhl heran und wachte bis spät in die Nacht hinein an ihrem Bett. In dieser Nacht war es anders. Er musste gehen. Auf ihn wartete Arbeit. Blutarbeit. Er war nicht sicher, ob er nur hier war, um sich einfach für die Nacht zu verabschieden, oder ob er auch Inspiration oder Zustimmung von ihr suchte. Rational betrachtet, ergab das keinen rechten Sinn. Er wusste nur, dass er sie ansehen und berühren musste, bevor er sich an die Arbeit machte.

    McCaleb ging auf den Pier hinaus und dann die Stufen zum Anleger für die Beiboote hinunter. Er fand sein Zodiac unter den anderen kleinen Booten und kletterte hinein. Damit sie nicht nass wurden, verstaute er die Mordakte und die Videokassette unter dem Spritzdeck im Bug des Schlauchboots. Er zog zweimal am Starterseil, bevor der Motor ansprang, und nahm dann das mittlere Fahrwasser des Hafens. Im Avalon Harbor gab es keine Kais. Die Boote waren an Bojen vertäut, deren Reihen der konkaven Rundung des natürlichen Hafens folgten. Weil es Winter war, lagen nur wenige Boote im Hafen, aber McCaleb fuhr trotzdem nicht zwischen den Bojen hindurch. Er folgte den Fahrrinnen, etwa so, wie man mit dem Auto durch eine Wohngegend fährt. Da blieb man auch auf der Straße und nahm nicht einfach eine Abkürzung quer durch die Vorgärten.
    Auf dem Wasser war es kalt und McCaleb zog den Reißverschluss seiner Windjacke hoch. Als er sich der Following Sea näherte, konnte er durch die Vorhänge der Kajüte das Flackern des Fernsehers sehen. Das hieß, Buddy Lockridge war nicht rechtzeitig fertig geworden, um die letzte Fähre zu erwischen, und blieb über Nacht.
    McCaleb und Lockridge betrieben die Charterfirma gemeinsam. Während das Boot auf Gracielas Namen eingetragen war, liefen die Charterlizenz und alle anderen Firmendokumente auf Lockridges Namen. Die beiden hatten sich vor mehr als drei Jahren kennen gelernt, als McCaleb die Following Sea in der Cabrillo Marina im Los Angeles Harbor liegen gehabt und in der Zeit, in der er sie von Grund auf restaurierte, an Bord gewohnt hatte. Buddy war ein Nachbar gewesen, der auf einem Segelboot in der Nähe lebte. Sie hatten Freundschaft geschlossen, und schließlich war auch eine Geschäftspartnerschaft daraus geworden.
    Im Frühling und im Sommer, wenn viel los war, blieb Lockridge die meisten Nächte auf der Following Sea. Aber in geschäftlich ruhigeren Zeiten nahm er normalerweise die Fähre zurück aufs Festland, um auf seinem eigenen Boot in Cabrillo zu schlafen. In den Festlandbars schien er mehr Erfolg auf der Suche nach weiblicher Gesellschaft zu haben als in den paar Kneipen, die es auf der Insel gab. McCaleb nahm an, er würde am Morgen zurückfahren, da sie für die nächsten fünf Tage keine Tour hatten.
    McCaleb rumpelte mit dem Zodiac gegen das Heck der Following Sea. Er machte den Motor aus und stieg mit dem Video und dem Ordner an Bord. Nachdem er das Schlauchboot an einer Heckklampe vertäut hatte, steuerte er auf die Kajütentür zu. Buddy, der das Zodiac entweder gehört oder gegen das Heck stoßen gespürt hatte, wartete dort bereits auf ihn. Er schob die Tür auf. In der linken Hand hatte er ein Taschenbuch. McCaleb warf einen Blick auf den Fernseher, konnte aber nicht erkennen, was lief.
    »Was gibt’s, Terror?«, fragte Lockridge.
    »Nichts. Ich muss nur ein bisschen arbeiten. Ich nehme die Bugkabine, okay?«
    Er trat in die Kajüte. Es war warm. Lockridge hatte das Heizgerät angemacht.
    »Klar, kein Problem. Kann ich dir was helfen?«
    »Nein, es ist nichts Geschäftliches.«
    »Hat es was mit der Frau zu tun, die heute hier war? Die Frau aus dem Sheriff’s Department?«
    McCaleb hatte vergessen, dass Jaye Winston zuerst auf dem Boot gewesen war und sich von Buddy den Weg hatte zeigen lassen.
    »Ja.«
    »Übernimmst du einen Fall für sie?«
    »Nein«, sagte McCaleb rasch, in der Hoffnung, Lockridges Interesse und Einbeziehung zu begrenzen. »Ich soll mir nur ein paar Sachen ansehen und
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