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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Autoren: Michael Connelly
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extrem nach hinten gebunden, dass sein Körper eine Art umgekehrter Embryonalstellung einzunehmen schien. Der Tote lag mit dem Gesicht nach unten auf einem schmutzigen alten Teppich. Der Bildausschnitt war zu klein, um erkennen zu können, in welcher Art von Umgebung die Leiche gefunden worden war. Dass das Opfer ein Mann war, schloss McCaleb einzig aus seiner Muskulatur und seiner kräftigen Statur. Sein Kopf war nämlich nicht zu sehen. Es war ein grauer Putzeimer darüber gestülpt. McCaleb konnte erkennen, dass der Draht, mit dem der Mann gefesselt war, von den Fußgelenken zwischen den Armen hindurch straff den Rücken hinauf und unter den Eimer führte, wo er sich um den Hals schlang. Auf den ersten Blick sah das Ganze nach einer Schnürstrangulation aus, bei der die Hebelwirkung von Beinen und Füßen den Draht immer fester um den Hals des Opfers zusammenzog und ihm so die Luft abschnürte. Letztendlich war das Opfer so gefesselt worden, dass es sich selbst erdrosselte, sobald es seine nach hinten gebogenen Beine nicht mehr länger in dieser extremen Position halten konnte.
    McCaleb fuhr mit der Inspizierung des Tatorts fort. Aus dem Eimer war etwas Blut auf den Teppich gesickert, was auf eine Kopfverletzung hindeutete.
    McCaleb lehnte sich in seinen alten Schreibtischstuhl zurück und dachte über seine ersten spontanen Eindrücke nach. Den Ordner hatte er noch nicht aufgeschlagen, weil er sich zuerst das Tatortvideo ansehen und den Schauplatz des Verbrechens möglichst genau so studieren wollte, wie ihn die Ermittler ursprünglich vorgefunden hatten. Schon jetzt war er fasziniert von dem, was er sich ansah. Er spürte in der Szene auf dem Bildschirm Andeutungen eines Rituals. Außerdem spürte er wieder das Prickeln von Adrenalin in seinem Blut. Er drückte auf die Fernbedienung und das Video lief weiter.
    Der Bildausschnitt wurde größer und Jaye Winston kam ins Bild. Jetzt konnte McCaleb mehr vom Raum sehen. Anscheinend handelte es sich um ein Zimmer eines kleinen, spärlich möblierten Hauses oder Apartments.
    Zufällig trug Winston dieselben Sachen, in denen sie mit der Mordakte und dem Video zu ihm nach Hause gekommen war. Sie hatte Gummihandschuhe an, die sie über die Manschetten ihres Blazers gezogen hatte. Ihr Detective-Abzeichen hing an einem schwarzen Schnürsenkel, den sie sich um den Hals gebunden hatte. Sie ging auf die linke Seite des Toten, während sich ihr Partner, ein Detective, den McCaleb nicht kannte, auf dessen rechter Seite postierte. Jetzt wurde auf dem Video zum ersten Mal gesprochen.
    »Das Opfer wurde bereits von einem Deputy Coroner untersucht und für die Tatortuntersuchung freigegeben«, sagte Winston. »Das Opfer wurde in situ fotografiert. Wir werden jetzt den Eimer entfernen, um mit den Untersuchungen fortzufahren.«
    McCaleb wusste, sie achtete deshalb so genau auf ihre Wortwahl und ihr Verhalten, weil sie bereits an die Zukunft dachte, eine Zukunft, zu der ein Mordprozess gehörte, bei dem sich die Geschworenen das Video vom Tatort ansehen würden. Sie musste einen professionellen, vollkommen objektiven Eindruck erwecken und emotional völlig unberührt von dem erscheinen, was sie vor sich hatte. Alles, was davon abwich, konnte ein Verteidiger zum Anlass nehmen, das Video vor Gericht nicht als Beweisstück zuzulassen.
    Winston hob eine Hand, um sich das Haar hinter die Ohren zu stecken. Dann legte sie beide Hände auf die Schultern des Opfers und drehte die Leiche mit Hilfe ihres Partners so auf die Seite, dass der Rücken des Toten der Kamera zugewandt war.
    Dann ging die Kamera näher heran. Sie bewegte sich über die Schulter des Opfers und verharrte erst wieder, als Winston den Griff des Eimers unter dem Kinn des Toten hervorzog und dann den Eimer behutsam von seinem Kopf hob.
    »Okay«, sagte sie.
    Sie zeigte der Kamera das Innere des Eimers – es war gestocktes Blut darin – und legte ihn dann in eine offene Schachtel, die zur Aufbewahrung von Beweisstücken diente. Dann wandte sie sich wieder dem Opfer zu.
    Um den Kopf des Toten waren auf Mundhöhe mehrere Lagen graues Klebeband gewickelt, die als Knebel dienten. Die offenen, stark vergrößerten Augen traten weit aus den Höhlen. Beide Hornhäute waren von einer Blutung gerötet. Ebenso wie die Haut um die Augen.
    »KP«, sagte Winstons Partner und deutete auf die Augen.
    »Kurt«, sagte Winston. »Der Ton ist an.«
    »Entschuldigung.«
    Sie gab ihrem Partner zu verstehen, alle Beobachtungen für sich zu
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