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Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht

Titel: Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
Autoren: Michael Connelly
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vielleicht lieber nach Hause fahren. Fahren Sie auf Ihre kleine Insel und zu Ihrer kleinen Tochter zurück. Verstecken Sie sich hinter dem, was Sie in ihren Augen zu sehen glauben. Tun Sie so, als wäre die Welt nicht so, wie Sie wissen, dass sie ist.«
    McCaleb nickte. Er hatte gesagt, was er sagen wollte. Er trat vom Geländer zurück – das Bier ließ er stehen – und ging auf die Tür zu, die ins Haus führte. Doch Bosch warf ihm noch ein paar Worte hinterher, als er das Haus betrat.
    »Sie meinen, sie nach einem Mädchen zu nennen, das niemand gemocht oder geliebt hat, ist so eine Art Wiedergutmachung für dieses verlorene Mädchen? Also, da täuschen Sie sich. Fahren Sie nach Hause und träumen Sie weiter.«
    In der Tür zögerte McCaleb und blickte sich um.
    »Wiedersehen, Harry.«
    »Ja, Wiedersehen.«
    McCaleb ging durch das Haus. Als er an dem Sessel vorbeikam, neben dem die brennende Leselampe stand, sah er den Ausdruck seines Psychogramms von Bosch auf der Lehne liegen. Er ging weiter. Als er die Haustür erreichte, zog er sie hinter sich zu.

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    M it gesenktem Kopf, die verschränkten Arme aufs Geländer gestützt, stand Bosch auf der Terrasse. Er dachte über McCalebs Worte nach, sowohl die gesprochenen wie die gedruckten. Sie waren wie Granatensplitter, die ihn glühendheiß durchbohrten. Er spürte einen tiefen Riss in seinem inneren Futter. Es war, als hätte ihn von innen etwas gepackt, das ihn in ein schwarzes Loch zog, als implodierte er ins Nichts.
    »Was habe ich getan?«, flüsterte er. »Was habe ich nur getan?«
    Er richtete sich auf und sah die Flasche mit dem abgepulten Etikett auf dem Geländer stehen. Er packte sie und warf sie, so weit er konnte, in die Dunkelheit hinaus. Er beobachtete ihre Bahn. Wegen des Mondlichts, das sich in dem braunen Glas brach, konnte er ihren Flug verfolgen. Als die Flasche im Gebüsch des felsigen Abhangs unter dem Haus landete, hörte er das Glas zerplatzen.
    Er sah McCalebs halb ausgetrunkenes Bier und packte es. Er holte aus. Am liebsten hätte er die Flasche bis zum Freeway geworfen. Dann hielt er inne. Er stellte die Flasche aufs Geländer zurück und ging ins Haus.
    Er nahm das Psychogramm von der Sessellehne und begann, die zwei Seiten zu zerreißen. Er ging in die Küche, machte das Wasser an und warf die Papierstücke in die Spüle. Er schaltete den Müllzerkleinerer an und stopfte die Papierfetzen in den Abfluss. Er wartete, bis ihm das Geräusch verriet, dass das Papier total zerhäckselt und weggespült war. Er schaltete das Gerät aus und sah einfach nur zu, wie das Wasser in den Abfluss floss.
    Schließlich hob er langsam den Blick und sah aus dem Küchenfenster zum Cahuenga Pass. In dem Einschnitt funkelten die Lichter Hollywoods, ein Spiegelbild der Sterne aller Galaxien überall. Er dachte an alles, was da draußen schlecht war. Eine Stadt, in der mehr falsch war als richtig. Ein Ort, an dem sich die Erde unter einem auf tun und einen in das Dunkel saugen konnte. Eine Stadt verlorenen Lichts. Seine Stadt. Sie war all das und trotzdem, immer trotzdem, ein Ort, um neu zu beginnen. Seine Stadt. Die Stadt der zweiten Chance.
    Bosch nickte und beugte sich vor. Er schloss die Augen, hielt die Hände unter das Wasser und hob sie an sein Gesicht. Das Wasser war kalt und belebend, wie jede Taufe der Beginn einer zweiten Chance sein sollte.

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    E r konnte immer noch verbranntes Schießpulver riechen. McCaleb stand in der Kabine und blickte sich um. Auf dem Boden lagen Gummihandschuhe und anderer Abfall herum. Überall, auf allem war schwarzes Fingerabdruckpulver. Die Tür der Kabine und der Türstock fehlten, sie waren einfach aus der Wand herausgeschnitten worden. Auch im Flur war ein Stück Wand entfernt worden. McCaleb ging zu der Stelle, wo Taferos kleiner Bruder von den Kugeln, die er abgefeuert hatte, gestorben war, und blickte zu Boden. Das Blut war braun getrocknet und würde für immer einen Fleck auf dem stark gemaserten Holz hinterlassen. Es würde immer da sein, um ihn zu erinnern.
    Als er auf das Blut starrte und sich noch einmal die Schüsse vergegenwärtigte, die er auf den Mann abgegeben hatte, liefen die Bilder in seinem Kopf wesentlich langsamer ab als in der Wirklichkeit. Er dachte über das nach, was Bosch auf der Terrasse zu ihm gesagt hatte: Er habe zugelassen, dass ihm der kleine Bruder gefolgt war. Er dachte über seine eigene Schuld nach. War sie wirklich kleiner als Boschs? Sie hatten beide Dinge ins Rollen gebracht. Zu
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