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Harpyien-Träume

Titel: Harpyien-Träume
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Was ist das denn?«
    Er antwortete nicht. Sie begriff, daß er nur auf Fragen antwort e te, und auch das so knapp wie möglich. Natürlich gaben Herau s forderungswesen von sich aus nur wenig preis.
    »Was tut denn ein Lakai so alles?« wollte sie wissen.
    »Er erledigt dumme Aufträge für andere.«
    »Und welchen Auftrag wirst du für mich erledigen?«
    »Keinen.«
    Das war's dann wohl. Diesmal hätte Gloha eine weniger direkte Antwort vorgezogen. Sie ging weiter.
    In der nächsten Nische stand eine Wanne voll schmutzigem Wasser. Das sah nicht weiter interessant aus, und so begab sie sich zur nächsten Nische.
    In dieser befand sich ein großes vierbeiniges Tier, wie ein Ei n horn ohne Horn, dafür mit langen Ohren. »Hallo«, sagte Gloha.
    »Ia!« blökte das Wesen zurück.
    Das war ein Hinweis für Gloha: Es handelte sich um einen mundanischen Esel.
    In der nächsten Nische befand sich ein federähnliches Metallding auf einer Stufe. Es gab zwar mehrere Stufen, doch die anderen benutzte es nicht. Als Gloha sich jedoch vor dem Ding aufstellte, beugte es sich vor, und sein oberes Ende landete auf der Stufe darunter. Der Rest folgte geschmeidig, senkte sich vom oberen Teil zum unteren und beförderte sich auf diese Weise selbst hinu n ter. Dann beugte es sich erneut vor und kam mit sehniger Bew e gung eine Stufe tiefer an. Als es unten am Fuß der kleinen Treppe angekommen war, hielt es inne. Und das war es auch schon.
    In der nächsten Nische erblickte Gloha eine leicht humanoide Kreatur mit äußerst beweglichem Schwanz. Das Wesen sprang von einem Balken zum anderen, schwang sich an Händen, Füßen oder Schwanz durch den Alkoven. Dabei bewegte es sich äußerst g e schickt, verfehlte nie einen Balken, stürzte nie in die Tiefe. Es schnatterte Gloha mit seinem pelzigen Gesicht an. Sie überlegte, bis ihr einfiel, was für ein merkwürdiges Wesen das war: ein Affe. Aber das war's dann auch schon.
    So ging es weiter und weiter – jede Nische enthielt irgendein L e bewesen oder ein Ding. Sie alle waren Teil von Glohas Herausfo r derung. Aber in welcher Beziehung standen sie zueinander? Gloha konnte nichts Gemeinsames erkennen. Das Ganze kam ihr ein bißchen vor wie ein kleiner Zoo mit angeschlossenem technischen Ausstellungsraum.
    Am Ende der Höhle befand sich das Ungeheuer. Es war größer als Gloha, stand auf allen vieren da, mit einem riesigen, mächtigen Vorderteil und einem ziemlich kleinen Rumpf. Es stand nicht in einer Nische, sondern versperrte den Höhlenausgang. Gloha wu ß te, daß sie an dem Untier vorbeikommen mußte, doch kaum trat sie darauf zu, als sich das Wesen aufbäumte und sie mit solcher Heftigkeit anfauchte, daß sie hastig einen Schritt zurückwich. Das Untier war weder eingesperrt noch angekettet, verfolgte Gloha aber nicht.
    Sie begriff, daß dies die Kreatur war, mit der sie sich auseina n dersetzen mußte. Also drückte sie ihre zittrigen kleinen Knie durch und baute sich knapp außerhalb der Fauchreichweite des Ung e heuers auf. »Wenn ich mal fragen darf«, sagte sie mit ihrer zagha f testen, höflichsten kleinen Stimme, »was bist du?«
    Das Ungeheuer musterte sie abschätzig. Es fuhr sich mit der Zunge über das beachtliche Maul. »Hallo. Ich bin die Yena«, sagte das Wesen.
    Gloha blinzelte. Sie hatte geglaubt, daß das Ungeheuer männlich sei. Sie schaute genauer hin, wobei sie versuchte, ihrer Unhöflic h keit wegen nicht gleich zu erröten, und stellte fest, daß das Wesen tatsächlich männlichen Geschlechts war. Wahrscheinlich hatte sie sich nur verhört. »Die Yena?«
    »So isses, Koboldmädchen«, erwiderte Yena.
    Gloha sah noch einmal hin. War das Ungeheuer doch weiblich? »Danke«, sagte sie matt.
    »Gern geschehen, du leckeres kleines Törtchen«, erwiderte Yena.
    Gloha merkte, daß sie immer verwirrter und verlegener wurde. Als sie das magische Alter achtzehn erreicht hatte, hatte sie sich nach den verborgenen Geheimnissen hinter der gefürchteten E r wachsenenverschwörung erkundigt und war ein wenig enttäuscht gewesen, als sie diese Geheimnisse schließlich in Erfahrung g e bracht hatte. Ja, sie hatte sich beinahe gewünscht, sie hätte sich gar nicht erst die ganze Mühe gemacht. Aber immerhin hatte sie das Ganze endlich begriffen – glaubte sie jedenfalls. Jetzt war Gloha sich nicht mehr so sicher. Wie auch, da der unaussprechliche Kö r perteil des Wesens sich ständig veränderte? Das galt auch für die Stimme der Kreatur: Mal war sie schroff, mal lieblich. Was
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