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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold
Autoren: Einzlkind
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einfach zu groß. Außerdem mag Melvin keine Schnittblumen kaufen, und Körperkontakt wäre ihm auch nicht so recht. Immerhin, es hat endlich aufgehört zu regnen und an einigen Stellen bricht sogar das Sonnenlicht durch die mächtigen Wolken. Nachdem sie Limerick großzügig umfahren haben, um weitere zwei Stunden die barocke Landschaft zu genießen, sind sie nun endlich in Dingle angekommen. Dingle sieht aus, als habe ein Event-Manager die kleine Halbinsel so authentisch wie möglich nachbauen lassen, damit der Besucher erleben kann, wie romantisch die irische Seele mit der Natur verwurzelt ist. Es ist ihm sehr gut gelungen. Das Dorf hat keine 2000 Einwohner, dafür aber mindestens so viele Touristen. Mythische Steine, famose Ruinen und herrliche Sandstrände gibt es zu entdecken. Wer möchte, kann per Fahrrad, Pferd oder Planwagen idyllisch rundreisen oder mit einem der zahlreichen Fischerboote aufs offene Meer schippern, um Fungi zuzuwinken, einem Flipper, den der Event-Manager für die Bucht engagiert hat. Die bonbonfarbenen Häuser sind zum Anknabbern, und in Murphy’s Pub lässt sich bestimmt ganz vorzüglich speisen.
    Harold findet Dingle auch toll, er hat noch keine einzige Katze gesehen. Dafür aber gibt es eine Kirmes in Hafennähe. Das heißt, ein Bierstand, ein Kinderkarussell und eine Losbude. Zweck des Spektakels ist ein Spenden-Marathon zu Gunsten eines Einwohners von Dingle, der an Hodenkrebs erkrankt ist. Der Name des Einwohners soll nicht genannt werden, da der Erkrankte die Anonymität vorziehe, wie es heißt. Auf einem lila Banner steht deshalb: Für Seamus Callum O’Rourke – Die Hoden bleiben dran! Ein voller Erfolg ist auf den ersten Blick nicht auszumachen. Die Touristen kaufen lieber Plastik-Flipper im Souvenir-Shop, die Einheimischen haben Durst.
    Melvin versucht, einen weiteren Ansprechpartner ausfindig zu machen. Die bisherige Ausbeute ist kläglich, da spätestens dann, wenn der Name des Gesuchten fällt, die kommunikative Fröhlichkeit zu einem Eisblock gefriert. Jeremiah Newsom ist in Dingle anscheinend eine Persona non grata. »Satan!« war noch die freundlichste Reaktion.
    Der Mann in der Losbude winkt ihnen zu. Wenn der bemalten Holztafel unterhalb der Theke zu trauen ist, dann ist sein Name Jacek. Jacek sieht aus, als wohne er privat in einer Gummizelle. Sein rechtes Auge schielt gen Südost, Shane MacGowan hat vergleichsweise tolle Zähne, und die linke Hand zittert ungelenke Pirouetten. Die Regale hinter ihm sind mit Plüschtieren, Dingle-Kaffeetassen und Einmachgläsern farbenfroher Marmelade staffiert. Melvin und Harold nähern sich achtsam dem Bretterverschlag, wohlwissend, dass die Vernunft anderer Meinung ist.
    »Hallo«, flötet Jacek, »möchtet ihr auch für den Einwohner Dingles spenden, der an Hodenkrebs erkrankt ist? Drei Lose für einen Euro.«
    »Sind Sie Pole?«, fragt Melvin.
    »Ja.«
    »Müssen Sie heute keine Reifen klauen?«
    Jacek lächelt verlegen, als habe er tatsächlich frei. »Es ist für einen guten Zweck. Drei Lose für einen Euro.«
    »Wir haben nur Pfund.«
    »Kein Problem. Drei Lose für ein Pfund.«
    Melvin überlegt. Vielleicht sollte er Jaceks Vertrauen gewinnen, nicht gleich mit der Frage rausplatzen, sich langsam herantasten. Und obwohl ihre Reisekasse gen Waterloo wankt, holt er aus seinem Brustbeutel einen Schein heraus und übergibt ihn Jacek. Dieser, hoch erfreut, deutet auf die Lostrommel, ein Einmachglas mit kleinen bunten Zetteln. Melvin zieht drei Lose und reicht sie kommentarlos an Harold weiter. Harold wickelt auf. Los eins: Niete. Los zwei: Niete. Los drei: Hauptgewinn.
    Hauptgewinn? Harold hat noch nie etwas gewonnen. Nicht mal einen Zahnbecherhalter. Euphorie! Aber welches Ventil? Harold seufzt kaum hörbar. Er gibt Melvin das Los, der gleichsam verwirrt das handbeschriebene Zettelchen betrachtet und es Jacek überreicht, der wiederum völlig aus dem Häuschen gerät und »Hauptgewinn!« schreit. Eine Frau mit Rollator blickt müde auf, rollt dann aber weiter. Jacek entflieht unter die Theke und holt geschwind ein pinkes, von Größenwahn beseeltes Plüschungeheuer hervor. Es ist das hässlichste Kuscheltier, das Melvin jemals gesehen hat, er weiß noch nicht mal genau, was es darstellen soll. Alien 5?
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagt Jacek und drückt Melvin das Scheusal in die Arme, »das ist Miss Pink Flamingo, ihr müsst sie ein Jahr lang immer bei euch tragen, sie bringt Glück.«
    Melvin bekommt keine Luft mehr und
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