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Harold - Einzlkind: Harold

Harold - Einzlkind: Harold

Titel: Harold - Einzlkind: Harold
Autoren: Einzlkind
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Häuschen, in denen das wärmste Licht der Welt funkelt. Er könnte Lilien züchten oder Kühe melken, aber das müsste er erst noch lernen, auch das Im-Blut-liegen. Aber vielleicht hat er ja einen Wunsch frei, der dieses eine Mal auch in Erfüllung geht. Schließlich hat Harold heute Geburtstag. Und 50 wird man doch nur einmal. Oder?
    Melvin findet Irland kitschig. Die sagenhafte Idylle mag bei Kleinkindern und Naturburschen glucksende Bezauberung hervorrufen, eine prächtige Kulisse für Märchenerzähler und Landschaftsmaler abgeben, kurzum das naive Gemüt in heimelnde Gefilde frohlocken. Kein Wunder, dass Helden wie Swift, Joyce und Beckett dieser romantischen Einöde den Rücken zeigten, um andernorts Weltruhm zu erlangen. Die letzte Bastion des Katholizismus ist für Melvin nur ein neolithisches Panoptikum tumber Glückseligkeit. Die Iren an sich sind ihm nicht minder suspekt. Bei seiner Recherche über Jeremiah Newsom Nummer fünf hat er so einiges über das abtrünnige Volk erfahren können. Dass sie schlimme Hungersnöte haben durchmachen müssen, dass sie traditionell korrupte Politiker wählen, dass sie mitunter hitzköpfig sind, dass sie keine schönen Toiletten haben und dass sie einen ausgiebigen Spieltrieb besitzen. Sie wetten nicht nur auf Pferde, Windhunde, Pitbulls, Geflügel oder Plastikenten, sondern auch darauf, dass an einem Freitag, den 13. Oktober, die Welt untergeht. Außerdem sind sie fanatische Bingo-Spieler, die Hammelnieren und Muskelmägen essen. Nur rothaarig ist der Ire in der Regel nicht, sondern in der Ausnahme. Alles harte Fakten, die Melvin vorwiegend aus dem Reiseführer von 1984 hat zusammentragen können. Auf seinen potenziellen Vater aber ist er durch die örtliche Presse gestoßen. Da Melvin weiß, dass der Ire für gewöhnlich eine Klatschtante ist, hat er sechs Monate lang die wichtigste irische Tagespresse von der Irish Times bis zum Evening Herald abonniert. Alles Qualitätszeitungen, die sich mit Vorliebe den Missetaten der Einheimischen annehmen und die Delinquenten vortrefflich anzuprangern verstehen. Mit Adresse. Meistens Schwerverbrecher. Wie Flynn Sweeney aus Wicklow, 38 Jahre, arbeitslos von Beruf, der vom Dorfältesten dabei erwischt wurde, wie er unter starkem Alkoholeinfluss ein Schaf penetrierte. Zu seiner Verteidigung führte Flynn Sweeney an, dass er sich schon gewundert habe, da seine Frau sich sonst weniger zugänglich zeige. Oder wie Mary O’Malley aus Dublin, 44 Jahre, Werftmitarbeiterin, die unter starkem Alkoholeinfluss ihren hippoesken Körper zur käuflichen Liebe feilbot. Einem Pfarrer, der gerade die Nachtmesse abhielt und namentlich nicht genannt werden möchte. Oder eben wie ein gewisser Jeremiah Newsom senior aus Dingle, 81 Jahre, zugezogener Engländer, Pensionär, der unter starkem Alkoholeinfluss auf einem Straßenfest die britische Flagge schwenkte und A Londonderry Air sang. Die Selbstjustiz scheiterte, da die Lynchgesellschaft sich nicht auf einen Baum einigen konnte und beleidigt von dannen zog. Melvin geht zwar davon aus, dass ein 81-Jähriger als Vater nicht in Betracht kommt, aber wo ein Senior ist, sollten auch Spuren des Juniors zu finden sein.
    Die Frage allerdings ist, ob sie überhaupt noch so weit kommen. Denn seit gut zwanzig Minuten benimmt der Saab sich wie ein Mähdrescher auf einem Rübenacker. Die von ihm erlaubte Höchstgeschwindigkeit liegt bei 30 Meilen pro Stunde. Und das auch nur unter Protest. Aber weit kann es nicht mehr sein bis Limerick. Die ersten Ausläufer sind schon zu erkennen. Auf der rechten Seite liegt ein kleines Gehöft mit drei Häusern, vor der Einfahrt hängt ein Schild mit der Aufschrift Werkstatt . Auf der linken Seite ...
    »Bremsen!«
    42
    Die Werkstatt hinterlässt auf den ersten Blick einen durchaus professionellen Eindruck. Eine ausgebaute Scheune mit Hebebühne, Reifenauswuchtmaschine, Druckluftstation und diversen Abgasmess- und Diagnosegeräten. Alles in einem tadellosen Zustand. Die kleinteiligen Werkzeuge sehen aus, als seien sie erst gestern in einem Heimwerker-Baumarkt erworben worden. Schmierige Lappen, rostige Ölauffangbecken oder gar Schimmelpilz sucht man hier vergebens. Auch der Besitzer, wenngleich von großer Statur und mit vollem Bart gesegnet, mag nicht recht den Hinterwäldler geben. Eine gepflegte Gestalt, in brauner Cordhose und grünem Kaschmir-Pullover, der den Stallgeruch betuchter Landbevölkerung und das Auftreten eines Grandseigneurs an den Tag legt. Seit fünf Minuten
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