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Titel: Hardware
Autoren: Walter Jon Williams
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und Wimpern weißblond gefärbt hat. Er ist sonnengebräunt, und seine Haare sind schulterlang und ungepflegt. Er trägt geprägte Ledersandalen und eine enge weiße Hose unter einem dunklen Netzhemd. Er nimmt Hormonsuppressorien, und obwohl er zwanzig ist, sieht er wie fünfzehn aus und hat keinen Bart. Sarah geht zu ihm hinüber und gibt ihm zur Begrüßung einen Kuß. "Ich arbeite heute abend", sagt er. "Er will mit mir zu Abend essen. Ich kann nicht lange bleiben."
     "Jemand, den du kennst?" fragt sie. "Ja." Er läßt ein schattenhaftes Grinsen sehen, das beruhigend wirken soll. Seine blauen Augen flackern. "Ich war schon mal mit ihm zusammen." "Kein Ausraster?"
     Er löst sich mit einem Achselzucken aus ihrer Umarmung, geht zum Sofa und setzt sich. "Nein", murmelt er. "Ein alter Typ. Einsam, glaube ich. Leicht zufriedenzustellen. Will vor allem reden." Er sieht die Plastikpackung Endorphine, hebt sie auf und sieht sie durch. Sarah sieht zwei weitere Phiolen zwischen seinen Fingern verschwinden.
     "Daud", sagt sie, und ihre Stimme ist eine Warnung. "Das ist Essen und Miete für uns. Ich muß damit auf die Straße."
     "Bloß eine", sagt Daud. Er wirft die andere in die Schachtel zurück und hält eine hoch, um sie ihr zu zeigen. Zigarettenasche schwebt zu Boden.
     "Du hast deinen Anteil schon gehabt", sagt Sarah. Seine hellen Augen flackern in seinem dunklen Gesicht. "Okay", sagt er. Aber er legt die Phiole nicht hin. Sein Bedürfnis ist zu stark. Sie senkt den Blick und schüttelt den Kopf. "Eine", stimmt sie zu. "Okay." Er steckt sie in die Tasche, nimmt dann den geladenen Injektor und programmiert eine Dosis - eine hohe Dosis, das weiß sie. Sie widersteht dem Drang, den Injektor zu überprüfen; ihr ist klar, daß er sich eines Tages ins Koma schießen wird, wenn er so weitermacht, aber sie weiß, wie sehr ihm ihre Besorgnis zuwider wäre. Sarah sieht zu, wie ihm das Endorphin in den Kopf steigt, wie er sich zurücklegt und seufzt. Seine ruckhafte Nervosität ist verschwunden.
     Sie nimmt den Injektor und holt die Phiole heraus, legt sie dann in die Plastikschachtel. Auf Dauds Gesicht liegt ein halbes Lächeln, als er zu ihr hochschaut. "Danke, Sarah."
     "Ich hab dich lieb", sagt sie.
     Er schließt die Augen und reibt seinen Rücken am Sofa wie eine Katze. Aus seiner Kehle kommen seltsame, wimmernde Laute. Sie nimmt die Schachtel, geht in ihr Zimmer und wirft sie aufs Bett. Eine Woge der Traurigkeit wispert durch ihre Adern, wie betäubende Melancholie. Daud wird bald sterben, und sie kann nichts dagegen tun.
     Einst war sie es gewesen, die zwischen ihm und dem Leben stand; jetzt sind es die Endorphine, die ihn von dem isoliert halten, was ihn angreifen will. Ihr Vater war verrückt und gewalttätig gewesen, und die Hälfte ihrer Narben war eigentlich Daud zugedacht: Sie hatte sie für ihn bekommen, als sie ihn mit ihrem Körper schützte. Die Schläge des Rasenden hatten sie zurückzuschlagen gelehrt und sie hart und schnell gemacht, aber sie konnte nicht immer da sein. Der alte Mann hatte die Schwäche bei Daud gespürt und gefunden. Im Alter von vierzehn Jahren war Sarah mit dem ersten Burschen abgehauen, der ihr einen Ort versprochen hatte, wo es keine Schmerzen gab. Zwei Jahre später, als sie sich aus ihrem ersten Vertrag herausgekauft hatte und wegen Daud zurückkam, war er unwiederbringlich zerbrochen gewesen, und die Nadel steckte schon in seinem Arm. Sie hatte ihn in das neue Haus gebracht, wo sie arbeitete - es war alles, was sie hatte - und dort hatte er gelernt, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, so wie sie es zu ihrer Zeit gelernt hatte. Er ist immer noch gebrochen, und solange sie auf der Straße sind, gibt es keine Heilung für ihn.
     Wenn sie nicht versagt hätte, wenn sie nicht weggelaufen wäre, hätte sie ihn vielleicht beschützen können. Sie wird nicht noch einmal versagen.
     Sarah geht ins andere Zimmer zurück und sieht Daud auf dem Sofa liegen. Eine Sandale hängt herab, die Riemen haben sich zwischen seinen Zehen verheddert. Rauch steigt aus seinen Nasenlöchern nach oben. Jackstraw sitzt neben ihm auf dem Sofa und trinkt eins von seinen Bieren. Er schaut zu ihr hoch.
     "Sieht aus, als ob du hinkst", meint er. "Soll ich dir die Beine massieren?"
     "Nein", sagt Sarah schnell und merkt dann, daß sie zu scharf reagiert. "Nein", wiederholt sie, mit einem Lächeln. "Danke. Aber es ist eine Knochenquetschung. Wenn du mich anfaßt, würde ich schreien."
     *KÜNSTLICHE
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