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Hard News

Hard News

Titel: Hard News
Autoren: Jeffery Deaver
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ziemlich ätzend, aber in diesem hier gab es wenigstens eine Aussicht und Sonne und Geschichte.
    Claire erzählte vom Haus ihrer Mutter in Boston und wie komisch es war, dass niemand in der Gegend schwarzes Leder trug oder den Kopf kahl rasiert hatte und dass sie keinen einzigen Musiker oder Kurzgeschichtenautor kennen gelernt hatte, sondern dass der einzige Typ, den sie mochte, Verkäufer war. War das nicht das Verrückteste, was man je gehört hatte?
    »Wahnsinn.«
    Rune nickte und versuchte zuzuhören. Ihre Bauchmuskeln verkrampften sich gegen das kribbelnde Gefühl, als sei sie von einem Wesen aus dem All befallen, das gleich aus ihr herausbrechen würde. Kämpf dagegen an … Kämpfe!
    Dann hielt Claire Rune und Courtney einen regelrechten Vortrag über Boston – Faneuil Hall und Cambridge und Chinatown und die Lofts und Antiquitätenläden rund um die South Street Station. »Und da gibt’s so ’nen echt, echt süßen Laden. Die verkaufen alte Badewannen, die sind mindestens einen Meter tief.«
    Rune nickte höflich und warf ein paar Mal ein desinteressiertes ›Wow, ist ja interessant‹, ein, was Claire als Aufforderung aufzufassen schien weiterzuschwadronieren. Rune ertappte sich, dass sie Courtneys Hand zu fest drückte. Das kleine Mädchen wand sich.
    Kämpf dagegen an …
    Rune sagte nicht viel über Boggs oder Maisel oder die Story für Current Events. Nur das Notwendige. Claire wusste sicher, dass sie Runes wegen angeschossen worden war, und Rune wollte in dieser Hinsicht klar Schiff machen. Nicht, dass sie von Schuldgefühlen gepeinigt worden wäre – man hätte auch sagen können, Claire sei angeschossen worden, weil sie ihre Tochter im Stich gelassen hatte. Aber das liefe dann darauf hinaus, wie die Götter oder das Schicksal oder die Natur funktionierten, und wenn man zu viel über Ursache und Wirkung nachdachte, wurde man verrückt, wie Rune wusste.
    Eine Weile herrschte Schweigen. »Ich hab Court ’n neues Kleid gekauft«, sagte Rune dann und nickte dem kleinen Mädchen zu.
    »Mami, schau.«
    Claire verdrehte ihren Körper, soweit sie konnte, damit sie mit dem nicht verbundenen Auge das Kleid begutachten konnte, und die Weise, in der das zerschundene Gesicht der jungen Frau vor Liebe aufblühte, als sie ihr kleines Töchterchen sah, beantwortete die einzige brennende Frage, die an Rune seit der Rückkehr Claires gezehrt hatte, ganz eindeutig.
    Wenn sie es jetzt bedachte, erkannte sie natürlich, dass niemals eine reelle Chance dafür bestanden hatte, dass Courtney bei ihr hätte bleiben können, und sie wurde wütend auf sich selbst, weil sie gehofft hatte, die Dinge könnten sich anders entwickeln. Schließlich hatte sie Die Schneeprinzessin gelesen. Sie wusste, wie so etwas endete. Dieses Gerücht, dass Märchen glücklich enden – das war Unfug. Manchmal schmelzen Menschen. Menschen gehen weg. Menschen sterben. Und wir bleiben zurück mit den Geschichten und den Erinnerungen, aus denen, wenn wir Glück haben, gute Geschichten und gute Erinnerungen werden, und dann leben wir unser Leben weiter.
    Claire streckte mühsam den gesunden Arm über das Bett aus. »Hast du mich vermisst, mein Schatz?«, fragte sie.
    »Hm-mh.« Courtney ließ Runes Hand los und versuchte, auf das Bett zu klettern. Rune gab ihr einen Schubs.
    »Dann geht ihr also wieder nach Boston? Ihr beide?«, sagte Rune.
    »Klar«, sagt Claire, »also, wir wohnen bei meiner Mama, bis ich ein bisschen Geld gespart hab, aber Wohnungen sind billig da. Dürfte nicht allzu lange dauern.«
    Kämpf dagegen an … Rune schluckte. »Wenn du willst, kann Courtney bei mir bleiben, bis du dich eingerichtet hast. Wir sind ziemlich gute Kumpels, oder?«
    Das kleine Mädchen spielte mit dem Dinosaurier und hörte nicht, was Rune sagte. Oder wollte es nicht hören. Jedenfalls gab sie keine Antwort. Claire schüttelte den Kopf. »Ich will sie irgendwie bei mir haben. Du weißt ja, wie’s ist.«
    »Klar.«
    »Schau, Rune, ich hab’s nie gesagt, aber ich find’s ganz, ganz toll, was du getan hast. War ja ’ne ziemlich üble Geschichte, einfach so abzuhauen. Viele Leute hätten nicht getan, was du getan hast.«
    »Stimmt, viele nicht«, sagte Rune.
    »Du hast was gut bei mir.«
    »Klar, stimmt. Ich hab was gut.«
    »Die Ärzte sagen, ich kann in ein paar Tagen nach Boston verlegt werden. Und rat mal was.«
    Runes Gesicht brannte. »In ein paar Tagen?«
    »Ich werd, also, im Krankenwagen gefahren, den ganzen Weg. Ist doch cool, oder? Meine Mama
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