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Handbuch für Detektive - Roman

Handbuch für Detektive - Roman

Titel: Handbuch für Detektive - Roman
Autoren: C.H.Beck
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gerüstet war, einer solchenKalamität die Stirn zu bieten. Auf jeder Seite seines Berichts würde er diese Tatsache durchblicken lassen. Der Vorgesetzte, der die endgültige Version prüfte, würde sich nach getaner Arbeit in seinem Stuhl zurücklehnen und sich sagen: «Gott sei’s gedankt, dass es Charles Unwin war und nicht irgendein schwächerer Zeitgenosse, dem diese Aufgabe zuteilwurde.»
    Unwin trat kräftig in die Pedale, um nicht doch noch ins Schlingern zu geraten, und schoss am anderen Ende der Gasse, begleitet von einem Schwarm aufflatternder Tauben, in den strömenden Regen hinaus.
    Während der gesamten Zeit, in der er nun als Angestellter bei der Agentur weilte, war ihm noch nie ein Problem begegnet, für das es keine Lösung gab, und auch die morgendliche Episode, so ungewöhnlich sie war, würde keine Ausnahme darstellen. Er war sich sicher, dass sich die ganze Angelegenheit noch vor der Mittagspause geklärt haben würde.
    Doch selbst angesichts eines so gewaltigen Berges von Aufgaben, die vor ihm lagen, musste Unwin immer wieder an den Traum zurückdenken, der ihn vor dem Erwachen heimgesucht hatte, jene Ausgeburt seines Schlafes, die ihn erschüttert und so sehr in Beschlag genommen hatte, dass er seine Hafergrütze anbrennen ließ und die Frau im karierten Mantel fast verpasst hätte.
    Er war von Natur aus ein gewissenhafter Träumer und konnte sich seiner nächtlichen Ausflüge ins Reich der Phantasie stets mit einer Klarheit erinnern, die seines Wissens selten war. An den Schrecken einer solch eindringlichen Vision, die so gar nicht seinem Geist entsprungen zu sein schien und eher Züge einer offiziellen Verlautbarung trug, war er freilich nicht gewöhnt.
    In diesem Traum war er vom Bett aufgestanden, um sich ein Bad einzulassen, nur um dann im Badezimmer festzustellen, dass die Wanne bereits von einem Fremden belegt war, der, einzig mit seinem Hut bekleidet, inmitten eines dicken Berges aus Seifenschaum ruhte. Rund um seine Brust waren die Bläschen von seiner Zigarrenasche gräulich verfärbt. Auch sein Fleisch war grau, wie verwischte Druckerschwärze, und ein unförmiger Mantel hing über der Stange des Duschvorhangs. Bloß die Zigarrenglut des Fremden besaß eine Farbe und glühte so munter, dass sie dem Dampf über der Wanne einen roten Schimmer verlieh.
    Ein frisches Handtuch unter dem Arm und den Morgenmantel fest gegürtet, stand Unwin in der Tür. Warum, fragte er sich, sollte sich jemand die Mühe machen, in seine Wohnung einzubrechen, nur um dann dabei ertappt zu werden, wie er ein Bad nahm?
    Der Fremde sagte keinen Ton. Er lüpfte einen Fuß aus dem Wasser und schrubbte ihn mit einer langstieligen Bürste. Als er damit fertig war, seifte er die Borsten ein und schäumte die Lauge zu einer dicken weißen Wolke auf. Damit schrubbte er dann den anderen Fuß.
    Unwin bückte sich ein wenig, um das Gesicht unter der Hutkrempe besser sehen zu können, und erblickte das schwere, unrasierte Kinn, das er nur von Zeitungsfotos kannte. Es war der Agent der Agentur, dessen Fallberichte in Unwins Aufgabenbereich fielen.
    «Detektiv Sivart», sagte Unwin. «Was machen Sie in meiner Badewanne?»
    Sivart ließ die Bürste ins Badewasser fallen und nahm die Zigarre aus dem Mund. «Keine Namen», sagte er. «Jedenfalls nicht meinen. Man weiß nie, wer mithört.» Er ließ sich tiefer in die Seifenblasen sinken. «Sie haben ja keine Ahnung,wie schwierig es war, dieses Treffen zu arrangieren, Unwin. Wussten Sie eigentlich, dass man uns Detektiven nicht einmal sagt, welche Schreiber für uns arbeiten? All die Jahre schicke ich meine Berichte in den vierzehnten Stock hinunter. An Sie, stellt sich dann heraus. Und Sie vergessen Dinge.»
    Unwin hob protestierend die Hände, doch Sivart wedelte nur mit der Zigarre in seine Richtung und sagte: «Als Enoch Hoffmann den zwölften November gestohlen hat und Sie in die Zeitung schauten und sahen, dass der Montag direkt in den Mittwoch übergegangen war, haben Sie den Dienstag genauso vergessen wie alle anderen auch.»
    «Selbst in den Restaurants hat man die Dienstagsgerichte übersprungen», sagte Unwin.
    Sivarts Glut leuchtete auf, und aus der Wanne stieg noch mehr Dampf auf. «Meinen Geburtstag haben Sie auch vergessen», sagte er. «Keine Karte, kein gar nichts.»
    «Niemand weiß, wann Sie Geburtstag haben.»
    «Sie hätten es herausfinden können. Jedenfalls kennen Sie meine Fälle besser als alle anderen. Sie wissen, dass ich mich in ihr getäuscht habe,
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