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Hand und Ring

Titel: Hand und Ring
Autoren: Anne Kathrine Green
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nichts nach Wunschgehen, und da fallen mir die mancherlei Ursachen zu geheimer Furcht, die ich stets gehabt, besonders schwer aufs Gemüt. Das ist immer der Fall, wenn ich mich nicht ganz Wohl fühle. Vergebens sage ich mir, daß achtbare Leute sich schwer zu einem Verbrechen hinreißen lassen. Es leben so viele, denen mein Tod nur allzu willkommen wäre, und ich schwebe fortwährend in der Angst vor einem –«
    Gewaltsamen Ende, ergänzte Tredwell, als der junge Mann schwieg.
    Wahrscheinlich ein Familiengeheimnis, äußerte dieser. Sollte nicht Rechtsanwalt Orkutt, der mit Frau Klemmens auf vertrautem Fuße gestanden hat, darüber Auskunft geben können?
    Wohl möglich, aber ihn möchte ich nicht fragen. Er wird vermutlich die Verteidigung des Verbrechers zu übernehmen haben und schwerlich wünschen, sich an unserer Voruntersuchung zu beteiligen.
    Byrd sah dem Coroner fest ins Auge; er schien einen Entschluß gefaßt zu haben.
    Ist Ihnen nicht eingefallen, sagte er, daß Herrn Orkutt noch andere Gründe bewegen könnten, mit seiner Meinung in dieser Angelegenheit zurückzuhalten? Die junge Dame, welche hier war, fuhr er fort, ohne Tredwells verwunderte Miene zu beachten, scheint über das verübte Verbrechen in so furchtbarer Aufregung zu sein, daß ich glauben sollte, er werde sich schon aus Rücksicht für sie von der ganzen Sache möglichst fernhalten.
    Wo denken Sie hin? – Fräulein Dares Interesse an der Mordtat ist bloße Neugier, von welcher sie sich als gebildete junge Name freilich etwas zu sehr hat fortreißen lassen. Aber man kennt ihre Eigenheiten schon in hiesiger Stadt. Sie meinen doch nicht im Ernst, daß das Fräuleinetwas mit dem schrecklichen Ereignis zu schaffen haben kann? –
    Byrd errötete leicht; die Worte: »Also gehört ihr der Diamantring wirklich?« schwebten ihm schon auf den Lippen, doch widerstand es ihm, seinen Argwohn gegen das schöne Mädchen, für den er keinerlei Beweise hatte, verlauten zu lassen.
    Tredwell bemerkte sein Zögern und fuhr fort: Nein, Fräulein Dare steht zu diesem Vorfall sicher in keinerlei Beziehung. Sie ist eins der unbescholtensten Mädchen unserer Stadt, und Frau Klemmens ist ihr völlig unbekannt, ich glaube fest, sie hat ihren Namen heute zum erstenmal gehört.
    Byrds hübsche, männliche Züge erhellten sich sichtlich. Gut denn, sagte er, wenn sich bei der gerichtlichen Untersuchung nicht herausstellt, wer der Täter ist, und Sie meine Hilfe wirklich begehren, will ich mir aus Neuyork Erlaubnis einholen, den Fall zu übernehmen. Inzwischen – –
    Inzwischen halten Sie immerhin die Augen offen, versetzte der Coroner, den Brief, welchen ihm Byrd wieder eingehändigt hatte, sorgfältig in der Brusttasche bergend. Und vor allem – unverbrüchliches Schweigen!
    Der junge Mann verbeugte sich und folgte Tredwell die Treppe hinab. Drunten hatte unterdessen der Arzt den Ausspruch getan, daß Frau Klemmens' Zustand noch in gleicher Weise stundenlang fortdauern könne, und der Tod vielleicht nicht vor Mitternacht eintreten werde. Ihre Lebenskraft ist aber bereits zu sehr erschöpft, um ihr noch irgend welche Aeußerung zu gestatten; sie wird ohne Kampf in die Ewigkeit hinüberschlummern, versicherte er.
    Unter diesen Umständen zogen es Orkutt und Ferris vor, sich zu entfernen. Kaum waren sie fort, so begann Byrd mit seinen eigenen Beobachtungen am Schauplatz der Tat. Sie richteten sich zunächst auf die Lage der verschiedenen Türen zu dem Herd, wo das Holzstück gelegen, und zu derWanduhr, vor welcher der Angriff erfolgt war; er entwarf eine flüchtige Zeichnung der Ortsverhältnisse, notierte auch die auf dem Tisch befindlichen Gegenstände, öffnete dann die Seitentür und schaute vorsichtig ins Freie hinaus.
    Sein früheres, gleichgültiges, schläfriges Wesen hatte ihn gänzlich verlassen, nichts entging seinem scharfen Auge, er war wie umgewandelt, entschlossen, umsichtig, voll Tatkraft. Tredwell beobachtete ihn mit Wohlgefallen. »Flink und schlau wie ein Wiesel,« dachte er bei sich und wünschte sich Glück zu dem Gehilfen.
    Gegen zwei Uhr verließ Byrd das Haus, um mit Ferris bei der Fortsetzung der am Morgen begonnenen Gerichtsverhandlung zugegen zu sein. In Frau Klemmens' Hof harrte noch immer eine zahlreiche Menschenmenge, und kaum war der junge Mann auf die Straße getreten, als ihm jenes alte Weib wieder in den Weg kam, welches die Neugier offenbar an Ort und Stelle zurückgehalten hatte. Mit häßlichem Grinsen sah sie ihm ins Gesicht.
    Darf
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