Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hamburg - Dänemark

Hamburg - Dänemark

Titel: Hamburg - Dänemark
Autoren: Sissi Kaipurgay
Vom Netzwerk:
aus und legte mich aufs Bett. Wie sollte ich ihn finden? Es gab nur eine Verbindung und die hieß Oliver Medler. Etwas beruhigter schlief ich später ein.
     
    Am nächsten Tag versuchte ich gleich morgens, den Professor zu erreichen, aber es dauerte dann doch bis zum Abend, ihn endlich ans Telefon zu bekommen. Oliver hasste Handys. Das hatte mich nie gestört, aber heute trieb es mich fast in den Wahnsinn.
    „Oliver, ich brauche deine Hilfe“, kam ich gleich zur Sache.
    „Ach?“ Ich konnte sein Lächeln fast durch den Hörer sehen.
    „Du hast einen Studenten, Angus Weißichnicht. Bitte. Ich brauch seinen Namen und die Adresse. Alles. Es ist – ein Notfall.“
    Oliver lachte leise. „So, so. Ja, der Angus Weißichnicht. Wehe, du tust ihm weh.“
    Ich schluckte und mochte gar nicht daran denken, wie ich ihn in Dänemark zurückgelassen hatte. „Nein. Bitte. Ich will alles wieder gutmachen.“
    „Na, dann schreib mit.“
    Oliver gab mir Angus‘ Adresse, den Namen und die Telefonnummer. Nachdem ich das Gespräch beendet hatte starrte ich auf den Zettel. Angus Wachmann. Lieber Himmel, ich musste sofort zu ihm. Nervös griff ich nach dem Autoschlüssel und machte mich auf den Weg. Angus hatte mir erzählt, dass er mit seinen Freunden auch nach vier Tagen abreisen würde. Ich war einen Tag eher losgefahren, also musste er heute wieder zuhause sein.
     
    Es war gerade erst acht Uhr abends, doch Angus stank wie eine ganze Schnapsfabrik, als er die Wohnungstür öffnete. Mit flackerndem Blick starrte er mich an und rülpste leise. Mein Mut sank. Hatte ich mich geirrt? Empfand er nichts für mich?
    „Was wils du?“, krächzte Angus.
    Ich stand immer noch im Treppenhaus und er machte keine Anstalten, mich herein zu bitten. Entschlossen schob ich mich durch die Tür und drängelte ihn einfach beiseite. Angus stolperte und ich griff zu, legte dann einen Arm um seine Taille, bevor ich die Tür hinter mir zuschob. Unter meiner Berührung erschlaffte er, als wäre plötzlich alle Kraft aus ihm gewichen. Fast trug ich ihn ins Schlafzimmer, das ich mit traumwandlerischer Sicherheit fand.
    Angus fiel aufs Bett und begann sofort zu würgen. Wieder griff ich um seine Taille und bugsierte ihn ins Bad. Das, was dann aus ihm rauskam, musste ungefähr eine Flasche Wodka sein. Ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht und hielt seinen Kopf, bis er nur noch Galle würgte. Er hing wie ein Sack Lumpen in meinem Arm, während ich ihm das Gesicht wusch, doch dann wurde er kurz lebendig und bestand darauf, sich den Mund auszuspülen. Den völlig erschöpften Angus trug ich jetzt wirklich ins Bett. Sein schmaler Körper lag an meiner Brust und weckte in mir Gefühle, die ich noch nie in dieser Intensität gespürt hatte. Mein Gott, ich liebte diesen Kerl.
    Vorsichtig, als wäre er aus Glas, legte ich ihn auf dem Bett ab und deckte ihn zu. Angus seufzte, drehte sich auf den Bauch und schnarchte nach einer Weile leise. Ich verließ das Zimmer, um Kopfschmerztabletten zu suchen. Die Wohnung war so winzig, dass ich schon bald die Medikamentenvorräte gefunden hatte. Mit einem Glas Wasser und den richtigen Tabletten bewaffnet ging ich zurück zu Angus, der sich nicht bewegt hatte und immer noch leise Schnarchgeräusche von sich gab. Er sah so friedlich aus im Schlaf, dachte ich, während ich das Glas auf dem Nachtschrank abstellte und beobachtete ihn noch einen Moment, bevor ich leise aus dem Zimmer schlich.
     
    In Angus‘ Wohnzimmer machte ich es mir vor dem Fernseher gemütlich und zappte durch die Programme, immer wieder auf die Geräusche aus dem Schlafzimmer horchend. Gegen zehn Uhr - es lief gerade irgendeine unsägliche Krimiserie - vernahm ich ein lautes Poltern, gefolgt von einem leisen Fluch. Ich sprang auf und rannte hinüber zu Angus, der auf dem Fußboden neben dem Bett saß und sich verwirrt umsah. Als er mich erblickte, wurden seine Augen groß, bevor sie sich zu schmalen Schlitzen verengten.
    „Was machst du hier?“ Seine Stimme klang rau.
    Ich hielt ihm eine Hand hin, die er tatsächlich ergriff und sich vom Boden hochhelfen ließ. Schwankend stand er vor mir und starrte mich böse an.
    „Ich hab dich gesucht. Es tut mir leid, dass ich in Dänemark einfach abgehauen bin.“
    „Ich muss pissen.“ Wie ein lästiges Insekt schüttelte er meine Hand ab, drehte sich und knallte beim nächsten Schritt gegen den Türrahmen.
    Schnell packte ich seine Schultern und dirigierte ihn über den Flur zum Bad, bis hin zur Kloschüssel.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher