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Haltlos

Haltlos

Titel: Haltlos
Autoren: Cornelia Koenig
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Schultag geworden.
Der Unterricht begann, als Mrs. Morani den Raum betrat. Die privaten Gespräche wurden eingestellt und die Gruppe beruhigte sich. Doch so sehr Tessa den Unterricht von Mrs. Morani auch mochte, konnte sie dem Unterrichtsgeschehen heute irgendwie nicht richtig und was noch schlimmer war nicht aufmerksam folgen. Die Stunde müsste sie wohl zu Hause nach arbeiten. Irgendwer wäre bestimmt bereit ihr seine Aufzeichnungen auszuleihen. Sie konnte es nicht verhindern, aber ihre Gedanken nahmen immer wieder ihren eigenen Weg. Dieser führte sie immer wieder mit geradliniger Treffsicherheit zu Mike. Auch die Worte von Amber hallten in ihrem Kopf nach. Sicherlich war Mike älter und hatte, dass wusste Tessa bereits von ihm, auch schon seine Erfahrungen mit anderen Mädchen gesammelt. Dennoch bedrängte er Tessa keineswegs. Sie stellte sich deshalb natürlich in letzter Zeit immer häufiger die Frage, ob sie eigentlich bereit, na ja, für DAS eben war. Konnte sie wirklich diesen Schritt gehen und das gemeinsam mit Mike? Sie hatte sich vom ersten Augenblick an als sie in sah in ihn verliebt. So hatte sie bisher für niemanden empfunden und dabei mangelte es ihr mit Sicherheit nicht an einer ordentlichen Auswahl an Verehrern. Aber das Kribbeln im Bauch, wenn sie an Mike dachte oder die weichen Knie, wenn er sie küsste und vor allem die Angst etwas Falsches oder Dummes zu sagen, wenn sie sich ihren endlosen Debatten über Gott und der Welt widmeten, so etwas fühlte sie zum ersten Mal. Man könnte Mike wohl als ihre erste große Liebe bezeichnen, wobei Tessa nicht die Absicht hatte noch weiteren großen Lieben zu begegnen. Sie wollte nur Mike. Ja, sie war bereit. Nicht nur, dass sie bereits bei der Beratung war, wo sie jedoch von der Dame mittleren Alters etwas kurz abgefertigt wurde, als sie den im Wartebereich ausliegenden Flyer – den sie nebenbei erwähnt mindestens zwanzigmal durchgelesen hat – runter beten konnte. Sie hat also alles getan, was man so als verantwortungsbewusste junge Frau machen konnte, um sich zumindest sachlich mit der Entscheidung auseinander zu setzen. Nun musste sie nur für sich den richtigen Zeitpunkt festlegen. Auch das fiel ihr nicht schwer. Sie erinnerte sich an die erste Begegnung mit Mike. Er machte ein Praktikum bei Josh in der Kanzlei. Tessa besuchte Josh so oft es ging, war er doch eine Art Vaterfigur geworden. Josh nahm die Trennung seiner Frau für Lukas und Tessa in Kauf, als diese sich nicht mehr jede Nacht von schreienden Kindern wecken lassen wollte. Doch Tessa und ihr Bruder durchlebten über ein Jahr in ihren Träumen immer und immer wieder die schrecklichen Minuten unten in der Villa. Josh war im Testament ihrer Eltern sowohl als Vormund, als auch als Treuhandverwalter für das Erbe der beiden Geschwister eingesetzt worden. Er wollte Tessa und Lukas nicht aus ihrer gewohnten Umgebung reißen und ihnen so das letzte bisschen Halt zu rauben, was die Beiden zurzeit noch besaßen. Er zog mit samt seiner Frau in den geräumigen Gästebereich der Villa endgültig ein und verkaufte sein eigenes Haus. Das war er seinem besten Freund schuldig. Maria zog ein Jahr später erzürnt aus. Ihrer Ansicht nach, hatte Josh seine Schuldigkeit für diese Kinder mehr als getan. Anstatt jedoch an sein eigenes Leben und seine eigene Familie zu denken, opferte er sich für diese beiden Kinder auf. Er gab ihr nicht nach. Josh behandelte Tessa und Lukas immer wie seine eigenen Kinder. Er schlief kaum eine Nacht, da er die ersten Monate immer mindestens ein weinendes Bündel von Kind in seinen Armen hielt, während er eine Decke um sich wickelte, damit sich Lukas oder Tessa oder manchmal sogar beide wieder beruhigen konnten und zurück in den Schlaf finden konnten. Die Träume hörten auf, doch Josh blieb bei und mit ihnen in der Villa. Er fühlte sich genau wie die Kinder in der Villa immer noch mit seinem Freund und dessen Frau verbunden. All die Jahre. Tessa wusste selbstverständlich, dass Josh im Laufe der Zeit seine Affären hatte. Doch er tat dies äußerst diskret und brachte auch keine dieser Damen mit nach Hause. Denn schließlich war die Villa jetzt Joshs zu Hause. Er versuchte nicht eine neue Familie zu gründen. Tessa und Lukas waren jetzt seine Familie. Er beklagte sich nie und behandelte beide Kinder mit der gleichen liebevollen Art und schenkte ihnen all seine Liebe und Wärme. Tessa half es sehr. Lukas war älter gewesen. Er war zehn, als ihre Eltern starben. Für ihn war
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