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Haltlos

Haltlos

Titel: Haltlos
Autoren: Cornelia Koenig
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wie das Blut in ihrem Körper ihr eine Eiseskälte durch die Venen trieb. Sie spürte nicht, wie sie zu zittern anfing. Sie betrachtete das unter ihr ablaufende Szenario und wusste auch ohne es gehört zu haben, dass irgendetwas mit ihren Eltern geschehen sein musste. Wie mechanisch kam sie im Zeitlupentempo auf die Beine, so als ob diese ihr noch ein wenig Zeit verschaffen wollten. Zeit, um dass, was da unten vor sich ging von ihr fernzuhalten und deshalb wollten sie nicht sofort reagieren. Langsam erreichte sie die Treppe und stieg Stufe für Stufe hinab, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und rief der Gruppe fragend zu „Mum? Dad?“ Miranda blickte als erste zu ihr hinüber und ihr Gesichtsausdruck sagte Tessa mehr als alles, was ihr in der folgenden halben Stunde gesagt werden würde. „Tess, oh Gott, Tess! Komm her Schätzchen, alles wird wieder gut.“ Miranda rannte ihr die letzten Stufen entgegen und schlang, als sie sie erreichte, ihre Arme um sie. Sie versuchte Tessa in einer Umarmung an sich zu binden, die keine Gegenwehr zuließ. Tessa wurde von ihr sicher die restlichen Stufen hinab in die kleine deplatzierte Runde geführt. Sie wusste, dass sie die Antwort auf ihre Frage nicht hören wollte, dennoch platzte sie in die Stille hinein „Wo sind Mum und Dad?“ Es war schließlich Onkel Josh, der sich zu ihr kniete und ihr das Schlimmste durch seine Worte bestätigen würde. „Liebes“, er hielt inne, schaute zur Galerie und rief Lukas zu „Komm runter Lukas!“ Es klang barsch, aber die Stimme von Onkel Josh schien zu ihm durchzudringen und stumm folgte er seiner Anweisung und stieg ebenfalls langsam wie von Geisterhand geführt die Treppe hinunter. Als Lukas sicher die letzte Stufe erreichte, erhob sich Onkel Josh und bedeuteten beiden ihm in den Salon zu folgen. Im Salon angekommen, setzten sich die Geschwister in das bequeme übergroße Sofa, dass sonst so eine behagliche Gemütlichkeit ausstrahlte und zum Ausruhen einlud. Heute war es anders. Tessa fühlte sich so klein, so zerbrechlich und vor allem so verloren und leer. Josh lief auf und ab, auf der Suche nach den richtigen Worten. Er blieb stehen, strich sich nervös und verzweifelt über die Augen, während Miranda in der Tür stehen blieb, zu betäubt, um ihn bei dem, was er den Kindern sagen musste beistehen zu können oder überhaupt etwas unternehmen zu können. Er sah die beiden an. Erst Tessa, dann Lukas und dann wieder Tessa. Während er den Mund öffnete, um mit dem Reden anzusetzen, wusste Tessa, dass es das Schlimmste sein würde, was man einer sieben Jährigen sagen konnte und auch das Schlimmste, was eine sieben Jährige zu begreifen hatte. „Tess, Luke“. –Pause - er rang erneut um seine Fassung. „Eure Eltern. Sie hatten einen Unfall und“, „Wo sind sie, in welchem Krankenhaus können wir sie besuchen? Wann können wir sie besuchen?“ Te ssas Fragen sprudelten aus ihr heraus. Sie klammerte sich wie eine Ertrinkende an einem Baumstamm an den Gedanken, sie seien „nur“ schwer verletzt. „Sie sind nicht im Krankenhaus Tessa. Sie werden nicht wieder nach Hause kommen. Es war ein Autounfall. Ein Lastwagen fuhr ihnen auf der Strecke zu den Laceys entgegen. Er kam nach einer Kurve auf dem Eis ins Schleudern“, er schluckte, „Eure Eltern, sie konnten nicht mehr ausweichen.“
    Der Schmerz dieser Erinnerung durchzuckte Tessa und rief sie in die Realität zurück. Sie sah auf Mr. Huggles hinab, den sie liebevoll wieder auf seinen Platz am Ende ihres Bettes setzte. Mit einem letzten durch den Raum gehenden Blick, schüttelte sie die alten schmerzvollen Erinnerungen ab und besann sich, dass sie zur Schule musste. Schnell ging sie in ihr Bad hinüber. Eine heiße Dusche war genau das, was sie jetzt brauchte. Die Erinnerungen taten ihr auch nach zehn Jahren noch so weh, dass sie sich fragte, wann dieser Schmerz endlich nachlassen würde. Sagte man nicht immer so schön: „Die Zeit heilt alle Wunden?“ Bla, bla, bla. Ihre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht, dessen war sie sich gewiss. Niemals würde sie aufhören sie zu vermissen. Und Tessa vermisste die beiden an jedem Tag ihres weiteren Lebens. Jedes Jahr, wenn der tragische Todestag näher rückte, kämpfte Tessa gegen ihre inneren Dämonen an. Sie war sieben, was hätte sie denn schon ausrichten können? Sie weiß, dass sie keine Schuld an diesem Unfall hatte. Dennoch nagte es an ihr, was geschehen wäre, wenn sie ihre Eltern nicht aufgehalten
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