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Halskette und Kalebasse

Halskette und Kalebasse

Titel: Halskette und Kalebasse
Autoren: Robert van Gulik
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sagte:
    »Die Banditen, die Tai Mins Körper durchsuchten, haben sogar seinen Bauch aufgeschlitzt, aber den Abakus würdigten sie keines weiteren Blickes. Denn daß ein Kassierer einen Abakus bei sich hat, erwartet man. Es war das naheliegendste Versteck, und deshalb das beste.«
    »Wenn der Abakus bei der Leiche des Kassierers gefunden wurde«, fragte der Oberaufseher mit seiner gemessenen Stimme, »wie kam er dann in den Empfangstisch der Herberge zurück?«
    Richter Di warf ihm einen mürrischen Blick zu.
    »Ich selbst habe ihn zurückgebracht«, erwiderte er kurz, »ohne zu erkennen, was er verbarg. Zwar wußte ich zu der Zeit noch nicht, daß eine Perlenhalskette fehlte, doch hätte ich hinterher daran denken müssen. Ich bin spät darauf gekommen aber gerade noch rechtzeitig.« Er stand auf, drehte sich um und verneigte sich vor dem Wandtisch. Während er mit beiden Händen die gelbe Rolle hochhob, sagte er zum Hauptmann: »Sie gehen jetzt in die Herberge zurück und erledigen dort alles.« Und zu den beiden anderen: »Wir begeben uns nun zum Wasserpalast.«
    Sobald der Zug die breite Marmorbrücke über den Graben überquert hatte, öffnete sich das monumentale Palasttor weit, und die Sänften wurden hineingetragen.
    Im ersten Hof präsentierten die zwei Reihen der Gardisten ihre Waffen. Richter Di lehnte sich aus dem Fenster und winkte den befehlshabenden Offizier heran.
    »Als ich in der vorletzten Nacht in der Verkleidung des Doktor Liang den Palast verließ, vermißte ich in der schwarzen Sänfte, die mir zugeteilt worden war, mein Schwert. Lassen Sie sofort feststellen, wo es sich befindet. Die Klinge trägt die in Gold eingelegte Inschrift >Regendrache<.« Als der Offizier forsch salutierte, sagte der Richter zum Oberaufseher: »Wir gehen nun direkt zu Ihrem Büro.«
    Vor der hochaufragenden Halle stiegen sie aus der Sänfte. Der Richter winkte Oberst Kang herbei, dann schritt er hinein. Am Schreibtisch des Oberaufsehers unterhielt sich dessen Berater leise mit drei Höflingen. Sie knieten sofort nieder.
    Richter Di schob die gelbe Rolle in sein Gewand und sprach: »Stehen Sie auf und berichten Sie über den Zustand der Dame Hortensie!« Der Berater erhob sich hastig und machte eine tiefe Verbeugung, die Hände ehrerbietig in den Ärmeln gefaltet.
    »Exzellenz, der behandelnde Arzt meldete, daß die Dame Hortensie von einem plötzlichen Gehirnfieber befallen wurde, was in diesem heißen und feuchten Klima nichts Ungewöhnliches ist. Sie wurde von schrecklichen Halluzinationen heimgesucht. Nachdem ihr jedoch Beruhigungsmittel verabreicht worden waren, fiel sie in einen tiefen Schlaf. Heute morgen hatte sich ihr Zustand soweit gebessert, daß sie das Krankenrevier wieder verlassen und in die Gemächer Ihrer Kaiserlichen Hoheit gebracht werden konnte.«
    Der Richter nickte. »Wo ist der Safe?«
    Der Berater zögerte, aber Richter Di fing seinen schnellen Blick zu dem Blumengemälde an der Wand auf. Er ging dorthin und schob das Bild zur Seite. Auf die in die Wand eingelassene viereckige Tür aus massivem Eisen deutend, befahl er dem Oberaufseher: »Aufmachen!«
    Richter Di ließ sich an dem hohen Schreibtisch nieder und sah die Bündel von Papieren durch, die er aus dem Safe genommen hatte, wobei er bedächtig an seinem Schnurrbart zupfte. Er stellte fest, daß die Dokumente vertrauliche Personalberichte und andere wichtige, die Verwaltung des Wasserpalastes betreffende Papiere umfaßten. Nichts über die privaten Angelegenheiten der Dritten Prinzessin noch über das Komplott der Halskette. Er stand auf, legte die Papiere zurück und bedeutete dem Oberaufseher, den Safe zu verschließen.
    »Führen Sie mich zu Ihrem Büro, Kang. Der Oberaufseher wird uns begleiten.«
    Das Büro des Oberst war einfach möbliert, aber peinlich sauber. Das weite Fenster gewährte einen Blick auf einen ausgedehnten, ummauerten Hof, in dem ein paar Gardisten Bogenschießen übten. Oberst Kang schloß die eiserne Kassette auf dem Boden auf, und der Richter inspizierte ihren Inhalt. Aber auch hier fand er nichts, was verdächtig aussah. Er legte die Hände auf den Rücken und sagte zum Oberst gewandt:
    »Vor vier Tagen, so um Mitternacht, gab es eine Störung auf dem Palastgelände. Ich möchte den Bericht darüber sehen, Kang.«
    Der Oberst zog eine Schublade aus seinem schlichten hölzernen Schreibtisch und legte ein großes Buch vor den Richter hin. Jede Seite war säuberlich in kleine numerierte Quadrate eingeteilt, die die
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