Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall

Titel: Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
Autoren: Louise Fu , Asmin Deniz
Vom Netzwerk:
sich
beratschlagen wie vorzugehen sei, während er selbst, Dalga, von einer
Zeugenbefragung zur nächsten hetzte. Und wenn die Lauf- und Drecksarbeit getan
war, würden sie seine Vorarbeiten an sich raffen und so tun, als wäre alles ihr
Verdienst. Oh ja, er kannte die Herren aus der großen Stadt!
    Dass
die Tote eine Touristin und keine Einheimische war, war ein verteufelt dummer,
ein sehr bedauerlicher Umstand, und Refik Dalga fluchte leise vor sich hin,
während er sich mit einem großen, bestickten Taschentuch die Stirn abwischte.
    Das
deutsche Konsulat war verständigt worden, und die Ermittlungen, das war
Kommissar Dalga völlig klar, mussten mit äußerster Diskretion und gleichzeitig
in atemberaubendem Tempo durchgeführt werden, denn es war Hochsaison und so ein
unglückseliger Mord konnte mit einem Schlag zunichte machen, was sich die Stadt
jahrelang aufgebaut hatte: Viermal so viele Touristen wie Einheimische
bevölkerten in den Sommermonaten den Ort, es gab saubere Strände, glasklares
Wasser und wenn einmal ein Portemonnaie geklaut wurde, konnte man sicher sein,
dass dem Dieb das Frohlocken und die Lust an seinem Gewerbe in Refik Dalgas
Gefängniszelle verging.
    Es
war ein schönes Leben, ein ruhiges Leben, der Kommissar saß tagein tagaus mit
seinen Hilfspolizisten Levent Kirik und Taylan Dogulu vor der Polizeistation
und spielte Karten, trank Tee, rauchte hin und wieder eine schöne Zigarre,
grüßte das vorüber defilierende Volk mit weit ausholender Geste und strich sich
seinen Schnurrbart glatt.
    Zweimal
am Tag patrouillierte Dalga langsam und bedächtig über die Strandpromenade,
starrte auf leichtbekleidete blonde Joggerinnen, die in der Nachmittagsglut mit
krebsroten Köpfen und Schultern an ihm vorbeirannten, als wäre der Teufel
hinter ihnen her, betrachtete andächtig die aufgereihten weißen Körper am
Strand, die aussahen wie geschuppte Fische in Panade, aber niemals dachte er
verächtlich über diese nackten Fische. Er respektierte sie, während er
beobachte, wie sie in der Sonne vor sich hinqualmten und verbrannten, denn sie
spülten Geld in die Kassen der Stadt, wenn auch nach seinem Empfinden immer
noch zuwenig, und er hätte die ausländischen Reiseveranstalter gerne vertrieben
und ein rein türkisches Regime errichtet. Aber leider, dachte er, in Zeiten der
Globalisierung musste man sich anpassen. Das war der Lauf der Zeit und nicht zu
ändern. Alles in allem konnte er gegen die fremden Menschen in seiner Stadt
nichts einwenden, sie kamen, ließen ein wenig Geld da und stiegen wieder in
ihre Flugzeuge, die sei heim brachten in sonnenlose, ihm höchst suspekte und
unheimliche Gefilde. Dalga verstand nur zu gut, dass sie einmal im Jahr hierher
kamen, in sein herrliches, sonnendurchflutetes Vaterland, ein schönes, stolzes
Land, leider mit ein paar ewigen Querulanten darin, fern in den Bergen, weit
weg von seiner heimatlichen Küstenregion.
    Und
wenn es Nachts einmal zu Schlägereien zwischen russischen und englischen oder
holländischen und deutschen Touristen kam, dann lag dies meistens nur an einem
falschen Wort über Fähigkeit und Leistung von nationalen Fußballmannschaften
und in solchen launigen und letztlich harmlosen Momenten bugsierte Kommissar
Dalga die krakeelenden Streithähne in seine Station, rief zähneknirschend Kadir
Bülbül an und bat um seine Hilfe und seine Übersetzungskünste. Er konnte ihn
nicht leiden, den arroganten Hundsfott, diesen lässigen Schmock ohne Männlichkeit
und Ehre, der hier vor ein paar Jahren auftauchte und sich Dalga als neuer
Sicherheitschef der fünf wichtigsten Hotels vorstellte. Auf gute
Zusammenarbeit, hatte er damals jovial gesagt und Dalga die Hand hingestreckt.
Dalga hatte eingeschlagen und ebenso jovial angeboten, dass Bülbül, bei seiner
Reputation, mit seiner gewiss gründlichen deutschen Polizeiausbildung und all
seinen sprachlichen Fähigkeiten, jederzeit zu ihm in seine Truppe kommen
könnte. Einen guten Hilfspolizisten könnte er immer gebrauchen. Bülbüls Blick
trübte sich, sein Mundwinkel zuckte, doch seine Stimme blieb gleichbleibend
höflich und emotionslos, als er antwortete: »Danke, bei der ... äh ... Polizei
will ich nicht arbeiten, ich bleibe lieber mein eigener Herr.«
    Kommissar
Dalgas Augen verengten sich zu Schlitzen, und er maß den jungen Schlacks
verächtlich von Kopf bis Fuß.
    Sein
eigener Herr! Der? Was meinte er damit? Scherge und Laufbursche der
ausländischen Hoteldirektoren? War das damit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher