Halsabschneider. Kadir Bülbüls erster Fall
in seinen Füßen. Er sah hinab und
bemerkte, dass er immer noch auf den Zehenspitzen wippte wie eine Ballerina.
Abrupt plumpste er auf den Boden und blickte gedankenschwer in Richtung Pool. Er
hoffte ein würdevolles und distinguiertes Erscheinungsbild abzugeben, dass
Sever in seine Schranken verwies. »Nun, diese Rätsel zu lösen ist nicht Ihre Aufgabe,
mein Freund. Dazu sind wir echten Polizisten da.«
»Aha.«,
machte Selim Sever an und grinste. »Viel Spaß und Erfolg dabei.«
Er
hob den Beutel dicht vor seine Brille. »Erstaunlich, wirklich erstaunlich. Nie
hätte ich gedacht, dass so ein Stück Draht wie ein Fallbeil in der Lage wäre,
den Kopf vom Körper abzutrennen. Bedenken Sie die starke Nackenwirbelsäule! Sie
muss ordentlich Fahrt aufgenommen haben, die Gute, sonst stehen wir vor einem
physikalischen Wunder. Naja, vielleicht war aber auch Dr. Guillotin seinerzeit
überrascht von der durchschlagenden Wirkung seiner Teufelsmaschine. Nur hier
funktioniert die Technik andersherum: Nicht Beil rast auf Opfer zu sondern
Opfer auf Schneide. Mmmh. Und da dieses Opfer ein üppiges Körpervolumen
mitbrachte, war da ordentlich Wucht hinter dem Aufprall.«
Er
wandte sich zum Gehen. Ȇbrigens, komiser , bevor Sie den Pool und die
Rutsche wieder freigeben, würde ich einen doppelten Reinigungstrupp durch die
Röhre schicken. Es sieht darin nicht sehr appetitlich aus. Aber lassen Sie erst
mal meine Jungs und Mädels zu Ende arbeiten, auch wenn Sie von der Hotelleitung
gedrängt werden, so schnell wie möglich wieder Normalität herzustellen.«
Kommissar
Dalga stand neben der Rutschenleiter und verfluchte der Reihe nach: Die Sonne,
die ihm in den Nacken stach, seinen Job, diese dämliche Touristin, die sich
ihren bezopften Kopf hatte abtrennen lassen, die rund um die Hotelanlage
lauernden Reporter, die sich wie Küchenschaben unter jedem Hindernis
hindurchquetschten um zum Ort des Geschehens zu gelangen, das bevorstehende
Verhör des einzigen Zeugen, ebenfalls ein dämlicher Tourist und nicht einmal ansatzweise
der türkischen Sprache mächtig, so dass er wieder auf diesen unerträglichen
Bülbül zurückgreifen ... und wenn man vom Teufel sprach! Da marschierte er
schon über die Liegewiese, gemächlich schlenkerte er heran unter Palmen als
erwarte ihn ein Rendezvous, meine Güte, lernte man keine Zackigkeit und
Disziplin in der deutschen Polizeikaderschmiede?
»Ihr
Gehilfe hätte mich beinahe nicht durchgelassen, komiser . Was haben Sie
ihm für Anweisungen gegeben? Stellen Sie sich vor, er wollte meinen Ausweis
sehen. Meinen Ausweis! Er kennt mich seit über zwei Jahren!«
Kadir
Bülbül nahm seine Sonnenbrille ab und beobachtete, wie auf der anderen Seite
des Schwimmbeckens der große und der kleine Leichensack auf eine Bahre gehievt
wurden.
»Levent
Kirik ist eben ein gründlicher junger Mann, und er hat den Befehl, niemanden
durchzulassen, der...« Dalga maß Bülbül verächtlich von Kopf bis Fuß, »...
keine Polizeiuniform trägt.«
Kadir
wandte sich ab und grinste.
»Dann
werde ich mir eine schneidern lassen, kein Problem. Sie sollten die Jacke
ausziehen, ist Ihnen nicht heiß?«
»Dafür,
dass Sie als Sicherheitschef dieses Hotels reichlich spät am Tatort auftauchen,
führen Sie eine recht kühne Rede, junger Freund! Ich hoffe, Sie haben gut
gefrühstückt und hatten einen angenehmen, ruhigen Morgen, während wir schon
unterwegs waren, um uns um die Sicherheit der Bürger zu sorgen?«
»Hätten
Sie oder einer Ihrer Hilfssheriffs mich informiert, wäre ich sicher früher hier
gewesen. So musste ich von dem Vorfall von einem meiner ... Informanten
erfahren. Aber danke der Nachfrage, ich hatte einige sehr angenehme,
entspannende Morgenstunden.« Er sah zu, wie Schweißperlen in einem Sturzbach an
Dalgas zuckenden Schläfen hinabrannen. »In meinem Haus ist es angenehm kühl,
obwohl es nachts draußen immer noch so heiß ist. Können Sie sich das
vorstellen? Zur Sache. Was ist hier passiert?«
»Wenn
ich das wüsste!«, grunzte Dalga. In knappen Worten gab er Severs Einschätzung
wieder. »Es scheint alles so ... zufällig, und dennoch hat sich hier jemand richtig
Mühe gegeben. Ein unglaublich brutaler, ein widerlicher Mord ...«
»Als
wäre jemand richtig wütend auf die Dame, und dennoch standen die Chancen
hervorragend, dass es sie nicht treffen würde. Es sei denn, der Mörder wusste,
dass sie jeden Morgen zur selben Stunde die Rutsche benutzte.«
»Das
scheint aber nicht der Fall gewesen
Weitere Kostenlose Bücher