Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Halo

Halo

Titel: Halo
Autoren: Alexandra Adornetto
Vom Netzwerk:
unauffällig unter das Volk zu mischen, nicht gerade hilfreich war, aber diesen Gedanken sprach ich nicht aus. Ich wollte mich nicht beklagen, wo ich mich doch bei dieser Mission sowieso schon allzu sehr als Belastung empfand.
    Venus Cove hatte ungefähr dreitausend Einwohner, und während der Sommerferien, wenn sich das Städtchen in ein belebtes Seebad verwandelte, verdoppelte sich die Zahl. Doch egal zu welcher Jahreszeit, die Einheimischen waren stets offen und freundlich. Ich mochte die Atmosphäre in diesem Ort: Es gab keine Menschen in Nadelstreifenanzügen, die nach hochdotierten Managerjobs strebten, niemand war in Eile. Den Leuten schien es egal zu sein, ob sie im elegantesten Restaurant der Stadt oder an der Imbissbude zu Abend aßen. Sie schienen viel zu entspannt, um sich über so etwas Gedanken zu machen.
    «Bist du einverstanden, Bethany?» Gabriels volle Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. Ich versuchte mich zu erinnern, worum sich die Unterhaltung gedreht hatte, war aber vollkommen ahnungslos.
    «Entschuldige», sagte ich. «Ich war ganz woanders. Was hast du gesagt?»
    «Ich habe gerade ein paar grundlegende Regeln verkündet. Ab heute wird alles anders werden.»
    Gabriel runzelte wieder die Stirn, meine Unaufmerksamkeit hatte ihn leicht verärgert. Wir beide sollten heute Morgen an der Bryce Hamilton School anfangen: ich als Schülerin und Gabriel als neuer Musiklehrer. Es war entschieden worden, dass eine Schule ein geeigneter Ort war, mit unserer Aufgabe zu beginnen, sich den Boten der Finsternis entgegenzustellen. Schließlich wimmelte es dort nur so von jungen Leuten, deren Wertesystem sich erst noch ausbildete. Ivy war zu wenig irdisch, um in die Highschool zu gehen, sie sollte uns versorgen und sich um unsere Sicherheit kümmern, oder besser gesagt, um
meine
Sicherheit, denn Gabriel konnte auf sich selbst aufpassen.
    «Das Wichtigste ist, nicht aus dem Auge zu verlieren, warum wir hier sind», sagte Ivy. «Unsere Mission ist eindeutig: gute Taten vollbringen, Akte der Nächstenliebe und Freundlichkeit; jemanden auf den richtigen Weg bringen, zum Beispiel. Wir wollen jetzt noch keine Wunder vollbringen, nicht solange wir nicht voraussagen können, wie sie ankommen. Gleichzeitig wollen wir die Menschen beobachten und so viel wie möglich über sie lernen. Die Kultur der Menschen ist so komplex und so völlig unterschiedlich von allem, was es sonst im Universum gibt.»
    Ich vermutete, dass diese Grundregeln hauptsächlich meinetwegen aufgestellt wurden. Gabriel hatte nie Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden.
    «Das wird bestimmt lustig», sagte ich, vielleicht etwas zu begeistert.
    «Hier geht es nicht um Spaß», erwiderte Gabriel scharf. «Hast du denn nicht gehört, was wir gesagt haben?»
    «Das Wichtigste ist, dass wir versuchen, den Einfluss des Bösen zu vertreiben und den Menschen den Glauben aneinander zurückzugeben», sagte Ivy beschwichtigend. «Mach dir keine Sorgen um Bethany, Gabriel – sie bekommt das schon hin.»
    «Kurz zusammengefasst: Wir sind hier, um die Gemeinschaft zu segnen», fuhr mein Bruder fort. «Aber wir dürfen nicht zu verdächtig wirken. Dass wir unerkannt bleiben, hat höchste Priorität. Bethany, bitte versuche nichts zu sagen, was die Schüler … verwirrt.»
    Jetzt fühlte ich mich angegriffen.
    «Was soll das heißen?», fragte ich. «Sprich dich aus.»
    «Du weißt doch, was Gabriel meint», sagte Ivy. «Er bittet dich, erst zu denken und dann zu reden. Keine persönlichen Gespräche über unsere Herkunft, kein ‹Gott meint› oder ‹Gott hat› mir gesagt … sie denken sonst vielleicht, dass irgendetwas mit dir nicht stimmt.»
    «Gut», sagte ich beleidigt, «aber ich hoffe, dass ich wenigstens in der Mittagspause durch die Gänge fliegen darf.»
    Gabriel warf mir einen missbilligenden Blick zu. Ich wartete darauf, dass er auf meinen Witz einging, aber seine Augen blieben ernst. Ich seufzte. Ich liebte ihn wirklich sehr, aber trotzdem konnte Gabriel manchmal völlig humorlos sein.
    «Keine Sorge, ich reiße mich zusammen. Versprochen.»
    «Selbstbeherrschung ist von außerordentlicher Wichtigkeit», betonte Ivy.
    Ich seufzte wieder. Ich wusste, dass ich die Einzige war, die sich über ihre Selbstbeherrschung Gedanken machen musste. Ivy und Gabriel hatten so viel Erfahrung mit Dingen dieser Art, dass sie ihnen selbstverständlich geworden war. Sie kannten die Regeln in- und auswendig. Das war nicht fair. Noch dazu war ihr Charakter viel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher