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Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit
Autoren: Zizou Corder
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Wiege oder Krippe gewesen. Jemand hatte das Kind hineingelegt und fest in ein kräftiges Tuch eingewickelt, doch es hatte sich freigestrampelt. Am Oberkörper und den Armen war das Kind mit Lederriemen in der Wiege festgebunden, die es gehalten hatten. »Die Riemen haben dir wahrscheinlich das Leben gerettet, kleine Schildkröte«, murmelte Kyllaros, als er das Kind losband und aus dem Holzbehälter hob. Das Tuch, triefnass und voller Sand, glitt von dem zarten Körper, und da lag es nun vor ihm: ein kleines, wütendes Menschenkind mit winzigen Fischen im Haar und in eine sehr, sehr nasse Windel gewickelt.
     
    Chariklo stieß einen kurzen Schrei aus, als sie Kyllaros zurückkommen sah, mit einem zappelnden Kind unter dem einen und der Ziege unter dem anderen Arm (er hatte das Tier unten an der Quelle beim Feigennaschen ertappt). Auf dem Kopf trug er die Wiege wie einen Helm, denn er hatte nicht gewusst, wie er sie sonst hätte mitnehmen sollen.
    Chariklo ließ die Wolldecke fallen, die sie gerade zusammenfalten wollte.
    »Was ist denn das?«, rief sie.
    »Ein Kind!«, antwortete er fröhlich. »Ich habe es unten am Strand gefunden, aus dem Meer geboren wie Aphrodite. Was sagst du dazu?«
    »Es sieht aus wie ein Menschenkind«, stellte Chariklo fest und trabte heran, um sich das Kind näher anzusehen.
    Kyllaros setzte die Ziege ab, die meckernd davonlief, und nahm die Wiege vom Kopf.
    »Da hast du es«, sagte er und reichte Chariklo das Kind. Sie nahm es vorsichtig entgegen und betrachtete es genau. Das Kind blickte sie aus grünen Augen zornig an, strampelte heftig und schrie.
    »Wie hübsch!«, rief Chariklo. »Was meinst du – können wir es behalten?«
    »Natürlich«, antwortete Kyllaros. »Warum denn nicht? Offenbar ist es ziemlich klug, und Glück hat es auch, denn es hat sogar den Sturm letzte Nacht in diesem kleinen Wiegenboot überlebt, und als es an Land gespült wurde, drehte es sich herum und kroch den Strand hoch – es ist also schlau und stark. Vielleicht wird aus ihm eines Tages ein neuer Held, wie es sie in früheren Zeiten gab!«
    »Es könnte Arkos Spielgefährte werden«, meinte Chariklo. »Aber jetzt ist es bestimmt hungrig. Hol ein wenig Milch, mein Lieber. Oh, Mutter Demeter, wo ist diese Ziege jetzt wieder?«
    Kyllaros trabte zu einem Felsen hinüber und packte die Ziege, die schon geglaubt hatte, wieder einmal entkommen zu sein. »Das lässt du jetzt aber bleiben«, schimpfte er. »Wir brauchen deine Milch für das neue Kind!«
    Chariklo hatte inzwischen den Säugling aus seinen nassen Windeln gewickelt. »Es ist ein Mädchen!«, sagte sie. »Und schau mal, hier! Kyllaros! Oh!«
    »Was ist denn?«, fragte Kyllaros und drehte sich zu ihr um, während er die Ziege melkte. Ein Strahl Ziegenmilch schoss über sein Bein.
    Weil das Kind in das Tuch gewickelt, voller Sand und ganz nass gewesen war, hatte er nicht bemerkt, worauf Chariklo jetzt deutete: Um den Hals des Mädchens war ein dünnes Lederband geknotet, an dem ein winziges Goldamulett hing.
    »Schau doch – es ist eine kleine Eule.«
    »Stimmt«, sagte er. »Sieh mal, wie groß die Augen der Eule sind – vielleicht gehört das Kind doch nicht Aphrodite, sondern Athena.«
    Chariklo wischte das kleine, nasse, sandige Gesicht des Mädchens mit einem Tuch sauber.
    Plötzlich stieß sie hervor: »Kyllaros – sieh dir das hier mal an!«
    »Was ist denn nun schon wieder? Dieses Kind ist wohl voller Überraschungen.« Er schaute auf das kleine Gesicht herunter und schüttelte dann verblüfft den Kopf. »Bei Zeus! Was soll das bedeuten?«
    So schmutzig, wie das Gesicht des Kindes gewesen war, hatte er das feine, kunstvoll gearbeitete Zeichen bisher nicht bemerken können. Aber es war unverkennbar ein Zeichen: Mitten auf die Stirn des Mädchens war ein kleines, in dünnsten Linien gezeichnetes blauschwarzes Symbol tätowiert, direkt zwischen den Augenbrauen, als wäre es mit ihnen verwachsen. Das Zeichen bestand aus einer senkrechten Linie mit zwei übereinanderliegenden halbkreisförmigen Bögen. Der untere, größere Bogen umschloss den oberen, als ob sie sich aneinanderschmiegten – wie zwei Halbmonde, die von einem Pfeil auf die Erde gespießt worden waren – oder wie ein Baum mit vier symmetrischen Ästen- oder wie eine vierarmige Frau, die sich tanzend im Kreis drehte und dabei die Arme vor Freude nach oben reckte.
    »Es lässt sich nicht abwischen«, sagte Chariklo, als sie mit dem Finger darüberrieb.
    »Wie seltsam!«, sagte
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