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Halo - Tochter der Freiheit

Titel: Halo - Tochter der Freiheit
Autoren: Zizou Corder
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denn nun war es sauber und trocken und satt von der Ziegenmilch. Außerdem hatten Perle und Luzia die Kleine mit ihrem langen Haar am Bauch gekitzelt. Das Mädchen war also rundum glücklich, und sie schenkte Cheiron ein breites Lachen, zeigte ihre sechs winzigen Zähne, strampelte, als wollte sie von ihm in den Arm genommen werden, und rülpste dann kräftig.
    Der Anführer der Herde lächelte das Kind an.
    »Ich denke, wir werden abstimmen«, sagte er. »Gebt allen Bescheid: Heute Abend versammeln wir uns zur Abstimmung. Und zwar alle!«
    »Aber worüber wollen wir abstimmen?«, fragte Chariklo ängstlich. »Ich meine, welche Wahl haben wir denn? Wenn bei der Abstimmung entschieden wird, dass wir sie nicht behalten dürfen, dann …«
    »Aber wir müssen abstimmen, das weißt du doch«, antwortete Cheiron. »Das ist Gesetz. Niemand darf ohne Abstimmung in die Herde aufgenommen werden.«
    »Aber sie ist Vollwaise!«, protestierte Kyllaros. »Und sie ist ein Säugling! Sie kann nirgendwohin gehen. Und selbst wenn sie gehen könnte, wohin sollte sie dann? Wir können sie nicht in ihren hölzernen Schildkrötenpanzer zurückstecken und wieder ins Meer werfen … Was sagt das Gesetz über Vollwaisen?«
    Darüber musste Cheiron erst einmal kurz nachdenken. »Ich glaube nicht, dass es für Vollwaisen ein Gesetz gibt«, sagte er schließlich. »Gut, dann stimmen wir eben darüber ab! Wir beschließen ein neues Gesetz, wonach wir uns um Vollwaisen kümmern müssen. Und um hilflose Säuglinge.«
    »Das entspricht ohnehin unseren Traditionen …«, fügte Kyllaros hinzu.
    Und so versammelten sich alle erwachsenen Zentauren nach dem Abendessen wieder auf der Agora und beschlossen einstimmig und ohne Enthaltung ein neues Gesetz, das ganz ihren Gefühlen entsprach: Der Stamm würde sich fortan um Vollwaisen und hilflose Kinder kümmern müssen.
    Auch der Name des Findelkinds wurde festgelegt: Halosydne. Diesen Namen hatten Perle und Luzia ausgesucht – er bedeutete »Mädchen, ernährt vom Meer«, aber sie legten ihn eher so aus, dass er »vom Meer gerettet« bedeutete. »Mit diesem Namen wird ihr das Meer nie etwas antun«, erklärten die Schwestern.
    Doch schon nach kurzer Zeit wurde das Mädchen von allen einfach nur Halo gerufen, bloß Kyllaros nannte sie immer Chelonakimu – meine kleine Schildkröte – oder Kleine Aphrodite, oder er gab ihr irgendeinen anderen Kosenamen: Schnussi (nach dem Geräusch, das sie von sich gab, wenn sie an seinen Ohrläppchen zog), Eulenkindchen (nach dem Amulett und ihren großen runden Augen), Kleiner Boxer (wenn sie voller Wut mit den Fäusten gegen seine Brust hämmerte, weil er sie auf den Arm genommen hatte, um sie vor irgendeinem Ungeschick oder einer Gefahr zu bewahren), Kleiner Delphin (als sie ihre ersten Tauchversuche unternahm) oder Süße Feige (wenn sie aus einem Feigenbaum fiel).
    Auch Arko gab ihr eigene Namen. »Schweinchen« war einer der ersten, als er noch auf sie eifersüchtig war oder einfach nur gemein sein wollte, weil sie ihm rosa wie ein Ferkel vorkam und kein glattes, glänzend braunes Pferdefell hatte.
     
    Aber schon im nächsten Sommer, als Halo tagein, tagaus in der Sonne herumlief, war sie bald nicht mehr rosa, sondern am ganzen Körper goldbraun. Und wirklich am ganzen Körper, da sie im Sommer keine Kleider trug – warum sollte sie auch? Chariklo und die anderen Zentaurenfrauen woben zwar Stoffe für Decken, doch die wickelten sich die Zentauren erst um Schultern und Brust, wenn die kalten Nordwinde kamen. Für Halo nähten sie einen Chiton, *** denn Chariklos Mutter sagte: »Mit ihrer zarten Haut sieht sie viel nackter aus als wir …« Das feine, weiche Tuch, in das Halo bei ihrer Reise über das Meer gewickelt gewesen war, verwahrte Chariklo hingegen sorgfältig. »Es würde keinen Tag überleben, wenn sie das Tuch hier als Kleidung tragen würde«, sagte sie, rollte es mit Lavendelblüten zusammen in ein weiteres Tuch und legte es in die Scheune, in der sie Nüsse und Oliven, getrocknete Trauben und Wein aufbewahrten. Doch gelegentlich nahm sie es heraus und erzählte Halo, wie sie damals gefunden wurde – eine Geschichte, die alle jungen Zentauren immer wieder gerne hörten, wenn sie an kalten Winternächten um das Feuer lagen und all den alten Geschichten von Zentauren, von Griechen und Trojanern, von Helden und Göttern lauschten.
     
    Und so kam es, dass Halos erste Erinnerung – die sie ihr ganzes Leben lang bewahrte – die an den hohen, dunklen,
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