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Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Titel: Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
Autoren: Falko Rademacher
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Damit deutete er auf den stillen, schmalen Mittvierziger, der neben ihm stand. Lisa fing sich wieder. Das beinahe Surreale der ganzen Situation löste sich auf in seine realen Bestandteile. Eine entsetzlich zugerichtete Leiche, eine alte Frau, die sie findet und vermutlich einen extremen Schock erleidet, und ihren Sohn, der mit sich kämpft, um nicht zusammenzubrechen.
    „ Wie geht es Ihrer Mutter?“ fragte Lisa vorsichtig.
    Schultz regte sich kaum. „Sie liegt oben“, flüsterte er.
    „ Nicht ansprechbar, fürchte ich“, ergänzte Fabian. „Das dauert eine Weile. Der Notarzt hat ihr eine Spritze verpasst.“
    Fabians Blick verriet ihr: Red du mit ihm. Du kannst das besser als ich blödes Arschloch. Zumindest interpretierte Lisa es so, Fabian hätte es vermutlich anders ausgedrückt.
    „ Gehen Sie ruhig zu Ihrer Mutter“, schlug sie dem zitternden Mann vor, „wir reden dann später weiter.“
    Herr Schultz verließ vorsichtig den Raum. Lisa traute sich nun endlich, sich alles genauer anzusehen, während Fabian aus dem Fenster auf die Straße hinaussah, wo sich die Menschenmasse verdichtete. Aber in der Ferne sah er bereits eine Einheit von Schupos, die sich formierten, um die Leute zu vertreiben. Lisa mutete sich zuerst nur den Anblick der Leiche auf dem Bett zu. Der Körper war größtenteils zugedeckt und steckte wohl in einer Art Schlafanzug. Natürlich war der größte Teil des Lakens rotbraun eingefärbt, die beiden Kopfkissen sowieso. Der Kopf hatte wohl friedlich darauf gelegen und geschnarcht. Bis das Schnarchen abrupt aufgehört hatte. Es musste ein sauberer Hieb gewesen sein, mit einem Beil oder etwas ähnlichem. Das würde der Gerichtsmediziner entscheiden. Jedenfalls war es ein ziemlicher klarer Schnitt. Das Rückgrat ragte nicht hervor, sondern war sauber durchtrennt worden. Der Hals war ausgeblutet, man konnte den Adamsapfel gut erkennen. Lisa fühlte sich an die „Körperwelten“-Ausstellung erinnert. All diese getrockneten Leichen ohne Haut hatten ihr damals eine wunderbare Appetitlosigkeit beschert, bei der sie vier Kilo verlor. Leider war dieser Effekt nicht wiederholbar. Sie war jetzt doch ziemlich abgehärtet, und so konnte sie sich auch dem Kopf zuwenden. Sie ging sogar davor in die Hocke.
    Fritz Krumms Augen waren geschlossen. Es war wohl so schnell gegangen, dass er nicht einmal mehr aufgewacht war. So gesehen eigentlich ein recht humaner Mord. Der Täter wollte sein Opfer nicht quälen. Er wollte es lediglich köpfen.
    „ Aber wer hätte gedacht, dass der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte?“ fragte Fabian.
    „ Was?“ Lisa schaltete heute morgen noch etwas langsam.
    „ Shakespeare“, erklärte Fabian. „Macbeth.“
    „ Oh. Wie mich das beeindruckt.“
    Fabian hockte sich neben Lisa. Er war so verdammt nah, dass es Lisa wieder aus dem Konzept brachte. Er sah mal wieder absolut geil aus in seiner schwarzen Jeans, schwarzer Lederjacke und blauem T-Shirt. Er roch ebenfalls gut, war frisch geduscht und schlampig rasiert wie immer. Sein Mittelscheitel war etwas verwuschelt, und seine blauen Augen waren intensiv auf ihr Ziel gerichtet. In diesem Fall war das Ziel ihr Decolleté. Aber vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.
    „ Fritz Krumm“, begann Fabian mit professionellem Ton, „achtundfünfzig Jahre alt, ledig, keine Kinder. Beruf Bahnfahrer bei der BVG, seit 30 Jahren. Vegetierte in dieser Wohnung schon sein halbes Leben, hatte wenig soziale Kontakte außerhalb der Arbeit. Zumindest meint Herr Schultz, er habe nie erlebt, wie jemand bei Krumm rein oder raus gegangen ist, abgesehen von Handwerkern.“
    Lisa richtete sich auf, Fabian blieb unten. Damit war er genau auf Augenhöhe mit ihrem dicken Hintern, wie sie erschrocken bemerkte, und so ging Lisa hastig einen Schritt zurück. Fabian grinste und stand ebenfalls auf.
    „ Es ist eindeutig heute Nacht passiert“, meinte sie. „Er wurde also relativ schnell gefunden.“
    „ Schultz sagt, seine Mutter hätte sich gewundert, weil die Wohnungstür offen stand. Deshalb hätte sie nachgesehen. Na ja, alte Weiber sind ja schwer zu bremsen, wenn sei ihre Nase in irgendwas reinstecken können.“
    „ Ich schätze, dieses alte Weib hat seine Lektion gelernt.“
    „ Wieso denn? Von dem Schock wird sie sich schon erholen, und danach kann sie den Leuten für den Rest ihres Lebens davon erzählen. Das ist für eine alte Frau wie ein Sechser im Lotto.“
    Lisa funkelte ihren Kollegen an, der es immer wieder schaffte,
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