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Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Titel: Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
Autoren: Falko Rademacher
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sogar recht schnell akzeptiert, dass sein einziges Kind andere Vorstellungen von seinem Leben hatte. Ihre Mutter Hilde war da ganz anders gepolt. Sie fasste es als persönliche Blamage auf, dass ihr Kind aus der Eifel wegzog. Dabei hatte Lisa gar nichts gegen ihre Heimat. Sie liebte die Eifel. Im Sommer, wenn der Raps blühte und die grünen Wiesen und Felder sich mit den gelben Flächen abwechselten, erschien sie ihr wie der schönste Ort auf der Welt. Aber sie musste weg. Wegen ihrer Eltern, wegen des Berufs, und weil man verdammt noch mal nicht sein ganzes Leben an einem Fleck verbringen sollte.
    Es war schon fast neun, als sich der Stau auflöste und Lisa in Richtung Keithstraße zockelte. Die Sonne schien stark heute, endlich fing der Sommer an, höchste Zeit für Ende Juli. Lisa parkte den Wagen deshalb in der Tiefgarage und machte sich auf den Weg zu ihrer Dienststelle. Als sie den Flur des LKA 1 betrat, kam er ihr auch schon entgegen wie eine Feuerwalze. Ein schwitzender, hustender Mann Ende 50, kahl wie Udo Lindenberg ohne Hut, dafür mit einem Schnauzer, der aussah wie aufgeklebt.
    „ Morgen, Chef!“ rief Lisa ihm mit erzwungener Fröhlichkeit zu.
    „ Sie sind nie zu erreichen!“ wetterte Juhnke. „Wo waren Sie?“
    Lisa bleib ruhig stehen und ließ den Kriminaldirektor erst mal verschnaufen. Irgendwie konnte sie noch immer nicht fassen, dass ihr Chef doch tatsächlich Juhnke hieß. Vielleicht hatte ihm das bei seiner Karriere in Berlin sogar entscheidend geholfen? Irgendeine Erklärung musste es ja dafür geben, dass dieser Mensch es bis zum Kommissionsleiter geschafft hatte.
    „ Ich war im Stau“, fertigte sich Lisa recht.
    „ Sie sind dauernd im Stau.“
    „ Nein, der Stau ist einfach ständig um mich rum. Die verfolgen mich alle, glaub ich.“
    Null Reaktion, wie immer. Juhnke gehörte zu jener Kategorie von Männern, die Frauen lediglich als Gegenstand von Witzen ansahen, nicht als deren Urheber.
    „ Kommen Sie schon“, brummte er jetzt, „Sie kriegen was Neues auf den Schreibtisch.“
    Das war seine Standardformulierung für „Es hat einen Mord gegeben“. Irgendwann kommt man wahrscheinlich so weit, allein den Begriff ‚Mord’ schon langweilig zu finden, wenn man dreißig Jahre seines Lebens damit zu tun gehabt hat. Jeder neue Fall wird zu einer weiteren Akte, sonst nichts. Lisa hoffte, irgendwann auch so abzustumpfen. Sie hoffte es aufrichtig.
    Sie folgte Juhnke in sein Amtszimmer. Als Leiter der Mordkommission 7 bestand er auf seinen eigenen vier Wänden, auch wenn manch andere höhere Dienstgrade inzwischen gerne die größeren Büros mit ihren Leuten teilten, um ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen. Das war Juhnkes Sache nicht, und der Rest der Mannschaft war ihm dankbar. Was immer es auch war, was seinen durchdringenden Körpergeruch verursachte, es war stark genug, um ihn ein Leben als ewigen Junggesellen bestreiten zu lassen.
    „ Sie brauchen sich gar nicht erst hinzusetzen, Becker“, sagte Juhnke. „Hier ist die Adresse“, er gab ihr einen Zettel, „Zonk ist schon dort, Spurensuche und Gerichtsmedizin auch. Flott!“
    Lisa sah auf den Zettel. Die Siegfriedstraße in Lichtenberg kannte sie ein wenig, sie war eine gute Abkürzung, und wer durch Lichtenberg durch musste, war dankbar für Abkürzungen.
    „ Was genau ist denn überhaupt passiert?“ wollte Lisa noch wissen. Juhnke blickte kurz auf und achselzuckte.
    „ Mein Gott, da hat einer in der Nacht einem Mann die Rübe abgesäbelt. Soll ’ne ziemliche Sauerei sein. Ach, bevor ich’s vergesse: Unsere Süßigkeiten hier sind alle. Bringen Sie auf dem Rückweg was mit?“

Drei
     
    Die Siegfriedstraße war das typische Lichtenberg-Ensemble an hässlichen Plattenbauten. Was an alter Bausubstanz noch vorhanden war, hatte die DDR verwahrlosen lassen zugunsten der Menschenschließfächer. Auch nach Lichtenberg kämpfte sich allmählich der Modernisierungstrend durch, der aus Prenzlauer Berg einen Garten Eden für Grüne gemacht hatte, die lieber nicht so viele Ausländer um sich hatten wie in Kreuzberg. Wie auch immer, der Tatort war in einem der Altbauten, und Lisa wusste nicht, ob das besser oder schlimmer war.
    Es war einiges los. Drei Streifenwagen parkten quer, dazu die Wagen der diversen Ermittler. Und weil es sowieso nicht mehr drauf ankam, standen mindestens zwanzig Anwohner auf der unbefahrbaren Straße und glotzten. An den Fenstern standen mindestens noch mal doppelt so viele. Das würde nachher lustig werden,
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