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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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bedeutete. Er beugte sich über die Frau, tastete die Schulter ab, bewegte vorsichtig den linken Arm im Gelenk, untersuchte dann den langgestreckten, herrlichen Körper, stellte noch eine Prellung an der Hüfte fest und setzte sich dann neben die Frau auf die Liege.
    »Ich werde nachher an Deck gehen und den Wind beschimpfen, daß er Sie so zugerichtet hat«, sagte er. »Von den sechs Wochen Seefahrt werden Sie zunächst mindestens eine Woche im Bett liegen müssen. Und dann sehen wir weiter.«
    »Ich hatte ohnehin nicht vor, diese sechs Wochen noch ganz zu erleben.« Sie warf mit einem Ruck die Haare von ihren Augen und atmete tief auf. Ihre Brust dehnte sich, und es war, als wolle sie die Spitzen des Halters sprengen. Dr. Wolff blickte zur Seite. Sie ist eine Patientin, dachte er. Weiter nichts. Ein verletzter Mensch. Im Bordbericht nach Berthilde Bolthe die Nummer 2 der behandelten Passagiere. Sie ist ein Körper wie tausend andere Körper vor ihr. Eine Oberschenkelfleischwunde, eine Schulterprellung, ein Hüfthämatom. Verdammt, Junge, denke ärztlich!
    Aber er konnte es nicht mehr. Er mußte ihre Beine ansehen, ihre Hüften, ihren Leib, ihre Brüste, ihr schmales Gesicht, die grünen Augen, den Flammenberg um ihren Kopf, den poesielose Menschen einfach Haare nennen.
    Die Summe dieser Schönheit war ein Magnet, der ihm die Seele herauszog. »Wie dachten Sie sich eigentlich Ihren Tod?« fragte er. »Tabletten? Wir haben hier alle Geräte, um Ihnen den Magen auszupumpen.«
    »Ich dachte an etwas Sicheres.«
    »Am sichersten ist, im Golf von Aden über Bord zu springen. Die Haifische nehmen Ihnen alle Probleme ab. Sie müssen allerdings mit einer kleinen Wartezeit, einigen Schmerzen und einem unästhetischen Sterben rechnen.«
    Die Frau hob den Kopf, die Phosphoraugen glühten. »Sie nehmen mich nicht ernst!« sagte sie laut. »Helfen Sie mir hoch, wickeln Sie Ihre elastische Binde um meine Schultern und lassen Sie mich gehen. Alles andere wird sich entwickeln.«
    »Ein Selbstmord ist kein Film, den man belichtet und dann auf die Bildchen wartet. Was heißt hier: Entwickeln!«
    Wolff stützte sie, bis sie saß, holte dann eine Flasche, goß eine streng riechende Flüssigkeit in seine Hand und massierte sie in die Schulter der Frau ein. »Sie sind weder verzweifelt, noch handeln Sie im Affekt. Im Gegenteil – Sie sprechen über Ihren Selbstmord wie über einen Kuchen, den Sie bald backen werden. Wissen Sie, was das ist? Das ist Mord! Mord an einem Menschen. Kalt geplanter Mord. Daß Sie sich selbst ermorden, spielt dabei keine Rolle.«
    Er begann, die Binde um die Schulter zu wickeln. Sie hielt den Arm ruhig, aber ihre Brust atmete heftiger.
    »Man hat mich nicht gefragt, ob ich dieses Leben wollte … warum soll ich fragen, ob ich es mir nehmen soll? Oder darf? Ich habe ein Recht auf mein eigenes Leben und meinen eigenen Tod.« Sie verzog das Gesicht, als er die Schulter bewegte, und sagte leiser: »Spritzen Sie gleich Impletol?«
    »Nein!«
    »Ein anderes Analgetikum? Dolantin hat mir immer geholfen.«
    »Gar nichts!« sagte Wolff fast grob.
    Ihre grünen Augen wurden dunkler.
    »Warum nicht?« fragte sie.
    »Ich verschwende keine Arzneien an Patienten, die sowieso sterben wollen.«
    »Dann lassen Sie es bleiben.«
    Sie wollte aufspringen, aber er hielt sie am gesunden rechten Arm fest, drückte sie zurück und kam dabei mit der Handfläche gegen ihre Brust. Sie zuckten beide zusammen, aber sie blickten ebenso bewußt aneinander vorbei.
    »Warum – zum Teufel – wollen Sie sterben?« fragte er laut.
    »Weil ich nicht mehr leben will.«
    »Ist das eine Erklärung?«
    »Ja. So einfach ist das.« Sie schüttelte die flammenden Strähnen von ihrem Gesicht. »Ich will nicht mehr.«
    »Wegen des Morphiums?«
    »Das ist längst vorbei. Ich bin darüber weg. Jetzt ekele ich mich davor.«
    »Wegen Ihres Mannes?«
    Die Frage kam ihm schwer von den Lippen. Du bist ein Idiot, dachte er, kaum daß er sie ausgesprochen hatte. Du fragst wie ein Seelenarzt und befriedigst damit doch nur deine Neugier. Wenn sie jetzt aufsteht und geht – ich halte sie nicht auf. Aber sie blieb sitzen und schüttelte den Kopf. Er konnte den Verband weiter anlegen und brauchte ihr deshalb nicht in die Augen zu blicken.
    »Mein Mann?« Sie machte eine Pause, als brauche dieses Wort eine tiefe Erinnerung. »Ich weiß gar nicht, wo er ist. Wir sind seit fünf Jahren geschieden. Er soll irgendwo in Südamerika sein … mit Tanja.«
    »Seiner
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