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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Geliebten?«
    »Unserer Tochter. Er hat sie mitgenommen, während ich mit einem Nervenzusammenbruch in der Klinik lag.« Sie sagte es völlig leidenschaftslos, und plötzlich erkannte Wolff, daß sie mit ›entwickeln‹ recht gehabt hatte: Sie spulte den Film ihres Lebens ab, entwickelte Bild nach Bild, betrachtete es mit einem tödlichen Gleichmut, und wenn der Film zu Ende war, mußte logischerweise der Schluß kommen, der Sturz ins Nichts. Das war so unaufhaltsam, daß Wolff nur mit Mühe die beiden Bindenklammern eindrücken konnte.
    »Wie heißen Sie?« fragte er.
    »Eve Bertram.« Sie faßte an die verbundene Schulter. »Es tut verdammt weh.«
    »Ich bringe Sie zu Ihrer Kabine, Eve.« Sie wunderten sich beide nicht, daß er sie Eve nannte, und sie stützte sich gehorsam auf ihn, als er ihr den Rock anzog, die Bluse überstreifte, ihr das Blut vom Bein wusch und ihr sogar die zerzausten Haare kämmte. Sie hielt den Kopf ganz still, ganz gerade, als er den Kamm durch ihren Flammenkranz zog, und sie sah ihn nur an, mit einem so tiefen Verwundern in den Augen, daß es dafür keine Worte mehr gibt.
    Dann gingen sie langsam durch die leeren Gänge, von weitem, aus dem großen Saal, klang Tanzmusik und lautes Stimmengewirr, aber hier war es jetzt wie auf einem Totenschiff mit lauter Türen, die in Gräber führten.
    »Kabine 187«, sagte sie.
    Sie blieben vor der Tür stehen, plötzlich erschrocken, daß es zum Abschied, wenn auch nur bis zum Morgen, kommen sollte, dann drückte Wolff die Tür auf und führte Eve Bertram zu dem eingebauten Bett. Sie legte sich auf die Decken, preßte die rechte Hand auf ihr Gesicht und begann zu weinen. Auch das kam so plötzlich, so eruptiv, so wild von innen, daß er keine andere Antwort wußte, als: »Ich werde Ihnen ein Kombimittel geben … gegen den Schmerz und für den Schlaf.«
    Er griff in die Tasche, holte ein Glas mit Wasser, schüttete zwei Tabletten hinein, drehte das Glas, bis die Tabletten zerfallen waren, setzte das Glas an ihre Lippen, hielt ihr den Kopf, während sie unter Schluchzen trank, legte sie dann vorsichtig, als sei sie aus feinstem zerbrechlichem Glas, aufs Bett zurück und zog eine Decke über sie.
    »In zehn Minuten schlafen Sie –«, sagte er heiser vor innerer Erregung.
    »Bleiben Sie solange bei mir?« fragte sie wie ein Kind, das Angst vor den Geräuschen der Nacht hat.
    »Ich bleibe bei Ihnen, Eve.«
    Er setzte sich aufs Bett, hielt ihre Hand und sah zu, wie sie hinüberdämmerte in den Schlaf. Der Druck ihrer Finger ließ nach, und erst jetzt merkte er, daß sie sich an ihn geklammert hatte.
    Vorsichtig zog er sie aus, deckte sie wieder zu und verließ dann die Kabine. Er stieg hinauf auf das leere Promenadendeck, stellte sich an die Reling, hielt den heißen Kopf in den Fahrtwind und sagte laut zu dem dunklen, rollenden Meer: »Was soll ich tun? Verdammt, ich liebe sie!«
    Er blieb eine Stunde lang oben an Deck und starrte in die treibenden Nachtwolken, auf die langen Wasserwogen, gegen den schwarzen Strich, wo sich Meer und Himmel trafen, und war so glücklich wie noch nie.
    In dieser Nacht hatte Lord McHolland ein merkwürdiges Erlebnis. Da er nichts von Bordfesten hielt, war er dem Saal ferngeblieben, hatte im kleinen Restaurant gegessen, war eine abendliche Runde über Deck I gegangen und kam nun zurück zu seiner Kabine. Als er die Tür aufschloß, hörte er gegenüber, aus Kabine 101, ein metallisches Knacken. Er hob den Kopf, sah die Mahagonitür mit der Goldzahl 101 an und wartete. Das war wie das Einrasten eines Gewehrschlosses, dachte er. Diesen Klang kenne ich! Man hat lange genug mit einem Gewehr im Arm geschlafen … in Indien, in Afrika, in Singapur. Schließlich ist man als Oberst entlassen worden. Das war ein Gewehrschloß, alter John, so wahr wie ich damals am Khyberpaß lag! Aber wie soll ein Gewehr in Kabine 101 kommen? Zu den netten schwarzgelockten Herren? Er ging leise an die gegenüberliegende Tür, legte das Ohr an das Holz, hielt den Atem an, aber er hörte nichts mehr. Er sah nur durch das Schlüsselloch, daß Licht in der Kabine brannte.
    Da es eines britischen Lords unwürdig ist, durch Schlüssellöcher zu schielen, richtete sich McHolland schnell auf, ging in seine eigene Kabine und schloß hinter sich ab.
    Er verpaßte damit eine große Chance.
    Am nächsten Morgen – das Frühstück wurde später serviert, da die meisten Passagiere durch das Bordfest noch unfähig waren, aus den Betten zu kommen und außerdem die
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