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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stewards den Befehl erhalten hatten, sich nur im Notfall in den Kabinengängen blicken zu lassen, um die peinlichen Rückwanderungen von Liebhabern oder Geliebten zu den eigenen Kabinen nicht unnötig zu erschweren – informierte sich Dr. Wolff über Eve Bertram. Er erschien im Büro des Oberzahlmeisters, der allein und mit verquollenen Augen hinter einer Riesentasse starken Kaffees saß und den Schiffsarzt gequält anschaute.
    »Ich habe Sie bei BB ersetzen müssen«, seufzte er und hielt sich den Kopf fest. »Doktor, das können Sie gar nicht wiedergutmachen. Ich bin gerädert, geteert und gefedert, gevierteilt und zerhackt – alles auf einmal. Dieses Weib hat eine Kondition wie ein Marathonläufer. Was gibt's?«
    »Ich möchte in der Passagierliste etwas nachsehen.« Dr. Wolff setzte sich, holte eine Rolle mit einem Kopfschmerzmittel aus der Tasche und schob sie dem Oberzahlmeister hin. Der nickte, stöhnte wieder auf und zeigte auf den geöffneten Aktenschrank.
    »Ordner Nr. 4. Holen Sie ihn sich selbst. Ich bin zu schwach, um aufzustehen.«
    Wolff blätterte in den Passagierlisten, fand gleich vorn – nach dem Alphabet geordnet – den Namen Bertram und las schnell die Angaben.
    Eve Bertram, geborene Schildmann. Wohnhaft Hannover, Eibstraße 9. Beruf: Medizinisch-technische Assistentin. Alter: 29 Jahre.
    Er klappte den Ordner zu und stellte ihn in das Regal zurück.
    »Was Besonderes?« fragte der Oberzahlmeister. Er hatte die Tablette geschluckt und kaute jetzt lustlos an einem halben Brötchen.
    »Während Sie tanzten, hatte ich einen Unfall. Nichts Ernstes, aber –«, er stockte, aber der Zahlmeister war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um aufmerksam zu werden.
    »Jedem das Seine«, sagte er bloß. »Gibt es eigentlich kein Mittel, Frauen wie diese BB zu bremsen?«
    »Nein. Nur betäuben.«
    »Das hat sie nicht gebucht.« Er umfaßte die große Kaffeetasse, starrte ins Leere und schien gar nicht zu hören, daß Dr. Wolff wieder ging.
    Auf dem Sonnendeck war es noch ruhig. Nur die vier schwarzgelockten Herren sah Dr. Wolff schon am Pool. Sie schwammen zusammen, sie kletterten zusammen aus dem Wasser, sie legten sich zusammen, wie auf Kommando, in die Liegestühle und wickelten sich in ihre weißen Bademäntel. Sie taten immer alles gemeinsam, und Wolff fragte sich amüsiert, ob sie auch in dieser Gemeinsamkeit ihre jeweiligen Freundinnen beschäftigten.
    Er blieb stehen, dachte über Eve nach und blickte über die eine Decktiefe unter ihm liegenden Herren hinweg auf das ruhige Meer. Die Morgensonne hatte es zu einer goldenen, schillernden See verwandelt.
    »Den haben wir ganz vergessen, amici –«, sagte Carlo Benzoni leise und schob die Kapuze seines Bademantels weiter über seinen Kopf. Norman White schielte nach oben.
    »Der Schiffsarzt.« Er lächelte spöttisch. Sein Gebiß, das er dabei zeigte, war ebenmäßig, reklamereif. Jacketkronen der besten Qualität. »Nur in Romanen sind Ärzte Helden.«
    »Er sieht nicht so aus, als ob er sich die Schuhe mit der Zahnbürste putzt«, sagte Mario Filippo und räkelte sich. »Groß, breit in den Schultern, in unserem Alter. Er könnte Schwierigkeiten machen.«
    Norman White schielte wieder zu Dr. Wolff. Er musterte ihn genau. »Tomaso, du wirst ihm klarmachen, daß Ärzte zu ihren Pillen gehören. Vielleicht brauchen wir ihn sogar.«
    »Verstanden, principale.« Der junge, fröhliche Colezza faltete die Hände über seiner breiten Brust. »Ich unterhalte mich gern mit gebildeten Männern. Der Dottore und ich werden uns verstehen …«
    Ruhig, ein wenig schlingernd in den langen Wellen, mit guter Fahrt zog die ›Fidelitas‹ dem Golf von Aden entgegen. Links von ihr, unsichtbar, aber für einen Seemann in naher Entfernung, lag die afrikanische Küste im warmen Morgendunst. Delphine begleiteten das Schiff, schnellten aus dem Meer, tanzten in den Wellen. Ein Schwarm fliegender Fische trieb vor dem Kiel her, als seien sie Lotsen, die dem riesigen weißglänzenden Stahlkasten die Richtung wiesen.
    In der Funkkabine war bereits Betrieb. Der I. Funker Alf Bergson, ein Schwede, schickte die Telegramme hinaus, die telefonisch von einigen Kabinen aufgegeben wurden. Die Geschäfte gingen weiter, auch wenn man eine Vergnügungsfahrt zu der sagenhaften Piratenküste machte. Außerdem waren die Morgenmeldungen fällig, und Bergson funkte lakonisch: »An Bord alles okay. Keine besonderen Vorkommnisse. See ruhig, Windstärke 2, klares Wetter. Lufttemperatur 23
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