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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Heimat gewesen war. Was jetzt kam, waren Stille, Einsamkeit, Erinnerung.
    »Ich schreibe Ihnen!« schrie Dr. Wolff zu ihm hinunter. Die Musik, das Dröhnen der Schiffsschrauben überdeckten seine Worte, aber Dr. Bender schien so etwas zu ahnen, er nickte und ging neben der ›Fidelitas‹ her, als sie langsam ablegte, begleitete seinen ›Mistkahn‹ bis zur Mole, um die sie herum mußte, und legte dann beide Hände wie einen Schirm über die Augen, als das Schiff wegglitt und Daressalam hinter sich ließ. Dr. Wolff blieb an der Reling, bis der alte Mann vom Sonnenglast aufgesogen wurde – ein Verschwinden für immer.
    »Alt werden und das bescheinigt zu bekommen, gehört zu den großen Gemeinheiten dieses Lebens«, sagte Lutz Abels, der I. Offizier, hinter Dr. Wolff. »Einmal stehen wir auch so da und sehen das Leben wegschwimmen.«
    »Dr. Bender hat Ruhe verdient.«
    »Das hat er – aber er will sie nicht. Altes Eisen sieht anders aus als unser ›Vater Theo‹.« Abels lachte etwas verkrampft. »Das kann man zu Ihnen nicht sagen. Und ›Bruder Bert‹ hat einen so warmwindigen Klang … Einigen wir uns auf Doc!«
    Das Schiff hatte jetzt volle Fahrt aufgenommen, durchwühlte den Ozean und schwenkte ein in den Kurs nach Norden. Zum Kap Guardafui von Somalia, um dann in den Golf von Aden einzulaufen.
    Die Passagiere hatten sich auf ihre Liegestühle zurückgezogen, der Swimming-pool war besetzt, auf dem Spieldeck hatten sich Gruppen gebildet, drei Deutsche saßen unter dem Sonnensegel, einen Klapptisch zwischen sich, und spielten Skat. Einer von ihnen hatte eine herrliche Kreuz-Flöte und jubelte: »Contra, Reh, Hirsch, Elefant, Saurier, ich halte, was ihr wollt! Jungs, die Hosen runter!«
    Die vier weißgekleideten, vornehmen Herren promenierten herum, ließen sich bewundern, von den Damen abschätzen, erwiderten fragende Blicke und rechneten im stillen aus, wieviel Millionen Dollar in jeder rundgewölbten Bluse stecken mochten.
    »Wollen Sie es wie Dr. Bender halten und eine feste Sprechstunde einrichten?« fragte Abels. »Sie haben freie Hand, Doc. ›Vater Theo‹ zog jeden Tag von 10 bis 12 und von 3 bis 4 seine Schau als Seelentröster ab.«
    »Ich werde es auch so machen«, sagte Dr. Wolff unsicher. »Auf meinem früheren Schiff hatte ich verdammt wenig zu tun. Nur einmal, nach einem Orkan, da kam ich ins Schwitzen.«
    »Das können Sie hier immer haben.« Abels machte eine alles umfassende Armbewegung. »Hier an Bord befinden sich mindestens siebzig unbefriedigte Frauen. Mein Beileid, Doc! Schiffsärzte müssen irgendwie Übermenschen sein –.«
    Sie lachten, trennten sich mit einem Schulterklopfen und begaben sich zu ihren Plätzen. Abels auf die Brücke, Bert Wolff in sein Schiffslazarett.
    Als er durch das Wartezimmer kam, saß dort bereits ein Patient. Es war eine Frau, deren Alter man schwer bestimmen konnte. Ihr Haar war weißblond gefärbt, die Haut mit Make-up zugeschmiert, und ihr Körper stak in einem so jugendlichen Kleid, daß man versucht war, ihr ein Bonbon anzubieten und zu fragen: Hast du heute keine Schule …?
    »Wolff –«, sagte Dr. Wolff höflich. »Es freut mich, daß gerade Sie mein erster Patient an Bord sind.«
    »Wieso?« Die Dame machte einen Wimpernschlag, der eine ungeheuer fleißige Übung bescheinigte, erhob sich und folgte Dr. Wolff in das Untersuchungszimmer. Sie schwenkte dabei ihre vollen Brüste und setzte sich mit Schwung auf die Untersuchungsliege. »Wieso freuen Sie sich, Doktorchen?«
    Es klang, als girre eine Lachtaube. Dr. Wolff, in solchen Situationen geübt, verschanzte sich hinter dem Schreibtisch.
    »Weil Sie so unwahrscheinlich gesund aussehen, gnädige Frau. Der Anblick eines Gesunden ist für einen Arzt immer etwas Erquickendes.«
    »Ich dachte immer, umgekehrt?« Sie lehnte sich zurück, der kurze Rock wurde noch kürzer. Sie trug einen tiefvioletten Schlüpfer. »Ich bin Berthilde Bolthe«, sagte sie. »Mein Mann starb vor vier Jahren. Seitdem reise ich herum. Eine innere Unruhe, wissen Sie, Doktorchen, eine bohrende Ruhelosigkeit. Ich habe bisher eine Armee von Ärzten konsultiert, aber die meisten sind Schwachköpfe. Verzeihung.« Sie lächelte, und Wolff wunderte sich, daß Puder und Schminke nicht abbröckelten. Ein Lob der Kosmetikindustrie! »Was kann man gegen unwiderstehlichen inneren Drang tun, Doktorchen?«
    »Einen Kognak trinken, einer nützlichen Arbeit nachgehen oder sich viermal täglich kalt duschen.«
    »Das ist Ihre ganze
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