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Haie an Bord

Haie an Bord

Titel: Haie an Bord
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Flaschen dort hinter der Wandklappe.« Er streckte die Beine von sich und sah zu, wie Dr. Wolff ihm einen Kognak eingoß. »Sie finden das Schiff ganz toll, was?«
    »Ja. Imponierend.«
    »Kapitän Meesters gibt sich alle Mühe, bestimmt. Er ist ein Mann, vor dem man hundert Hüte ziehen müßte. Er fährt diesen Seekrüppel seit zwanzig Jahren. Warum? Jeder Vater wird sein mißgestaltetes Kind besonders umsorgen, das allein ist es. Der Vaterkomplex. Die ›Fidelitas‹ wurde 1933 gebaut und fuhr bis nach dem Krieg als Luxus-Liner durch die karibische Inselwelt. Dann wurde hier der Markt entdeckt, und jetzt schippert sie durch den Indischen Ozean. Sechswöchige Heimat für reiche Witwen, geile Greise, vor aufgepfropfter Vornehmheit stinkender Geldadel, gelangweilte Playboys und männermordende kleine Luxushürchen. Dazwischen ein paar echte Menschen, die für ihr gespartes Geld einen Teil der schönen Welt sehen wollen. Schönheitshungrige Augen … aber die können Sie zählen, und die werden Sie auch sofort erkennen. Eines ist sicher –«, er betrachtete Dr. Wolff von oben bis unten, »– so wie Sie aussehen, wird es Ihre vordringlichste Aufgabe sein, vor bettlägerigen Frauen zu flüchten. Aber das kennen Sie ja von der ›Eleonore‹. Prost!« Er trank seinen Kognak und sprang auf.
    Seine Koffer – drei alte Lederkästen – standen neben der Kabinentür. Der Rest von sechzig Jahren Leben und dreiunddreißig Jahren Seefahrt. »Machen wir unsere Besuche. Antritt und Abgang beim Kapitän? Johann Meesters ist um diese Zeit schon im Kartenraum. Sie wollen also an Bord bleiben?«
    »Aber ja!« Wolff prostete Dr. Bender zu. »Ich bin vielleicht genauso faul und träge wie Sie.«
    »Nur wird Ihnen der Kahn hier unter dem Arsch auseinanderbrechen, wenn der Lack abblättert. Vielleicht schon in einer Woche an der arabischen Küste.«
    »Ich kann gut schwimmen.«
    »Laut Statistik ist das Haivorkommen im Roten Meer am höchsten. Aber vielleicht spuckt man Sie aus, wenn Sie schreien: ›Ich bin ein Schiffsarzt!‹ Da haben selbst Haie Mitleid!«
    Wirklich, es war ein schönes Schiff! Sauber, blitzend von der untersten Ladeluke bis zur Radarmastspitze. Es besaß zwei Swimmingpools, einen Tennisplatz auf Oberdeck II, drei Bars, zwei Speisesäle, eine Bibliothek, einen Fitneßraum mit Massage und Sauna, einen Tanz- und Kinosaal, eine Ladenstraße und 240 Luxuskabinen.
    »Und das Ganze ist ein Puff!« sagte Dr. Bender, als sie die Treppe zur Kommandobrücke hinaufstiegen. »First class natürlich. Aha! Unser aller Vater, der Kapitän! Hier bringe ich dir Dr. Wolff, Johann. Ein Arzt mit allen Idealen der Jugend. Es ist ein Verbrechen, ihn als meinen Nachfolger zu bestimmen.«
    »Hören Sie weg, Doktor.« Kapitän Meesters, groß, zwei Zentner schwer, mit Händen wie Kistendeckel, wie ein Stück Mastbaum auf der Brücke stehend, begrüßte Dr. Wolff mit einem vorsichtigen Händedruck. Wenn er fest zudrückte, wäre Dr. Wolff sein eigener erster Patient gewesen. »Willkommen an Bord. Beim Frühstück in der Offiziersmesse mache ich Sie mit den anderen Herren bekannt. Unseren Ersten sehen Sie dort. Lutz Abels – Dr. Wolff.«
    Der I. Offizier kam aus dem Steuerraum. Mittelgroß, hellblonde Haare, graue Augen, ein kantiges Gesicht. Beim Gehen rollte er in den Schultern wie ein Boxer vor dem Punchingball.
    »Viel Glück, Doktor!« sagte er. Seine Stimme war frisch und unkompliziert wie sein Wesen. »Endlich im Lazarett kein Monstrum, das bei jeder Krankmeldung sagt: ›Rezept: Schluß mit Saufen und Huren!‹«
    Sie lachten alle, aber es war eine dumpfe Fröhlichkeit. In vier Stunden lief die ›Fidelitas‹ aus. Richtung Rotes Meer – arabische Küste – Piratenküste – Persischer Golf – Kuweit – Abadan, an der Mündung von Euphrat und Tigris in die Persische See. Eine Fahrt der Abenteuer, ein Hauch Traum von Tausendundeiner Nacht …
    In vier Stunden gab es keinen Schiffsarzt Dr. Bender mehr, nur einen alten Mann, der allein zurückblieb im Hafen Daressalam.
    »Ich lasse meine Koffer an Bord bringen, Herr Kapitän«, sagte Dr. Wolff gepreßt.
    »Und ich lasse meine endlich wegtragen!« Dr. Benders Stimme war unverändert, aber seine Augen konnten nicht lügen.
    »Um acht Uhr in der O-Messe zum Kaffee also.« Johann Meesters drückte wieder vorsichtig die hingereichten Hände. Er blieb neben Lutz Abels auf der Brücke stehen und blickte den beiden Ärzten nach, wie sie von Bord gingen.
    »Was halten Sie von Dr. Wolff?«
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