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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Tochter wegen der unangemessenen
Anrede zu disziplinieren. Dieser nachlässig gekleidete, nach Pferdestall
riechende Mensch konnte doch unmöglich der Hundezüchter sein, von dem Maria in
den höchsten Tönen geschwärmt hatte? Er reichte Vicki, dann Tessa die Hand, um
ihnen beim Aussteigen behilflich zu sein. Victoria entging weder der
bewundernde Blick, mit dem er ihre Älteste bedachte, noch die distanzierte
Miene ihrer Tochter, die sie immer dann aufsetzte, wenn ihr etwas gründlich
mißfiel.
    Karl
Hopf deutete eine Verbeugung an. »Nach den Berichten Ihrer Tante freue ich mich
sehr, Sie persönlich kennenzulernen, Fräulein Biddling.«
    »Vielen
Dank für die Einladung«, sagte Vicki.
    »Warum
bist du so naß?« wollte Flora wissen.
    Karl
Hopf sah Victoria an. »Ich bitte, meinen unpassenden Aufzug zu entschuldigen.
Ich hatte Sie erst in einer Stunde erwartet.«
    »Meine
Schwester hat mir ausdrücklich zugesagt, unsere Ankunftszeit zu
telegraphieren!« sagte Victoria ärgerlich.
    Hopf
lächelte. »Die gute Maria scheint vergeßlich zu werden.«
    Er wies
dem Kutscher den Weg und bat seine Besucher, ihm ins Haus zu folgen. »Ich
wette, mit einer Tasse heißer Schokolade im Bauch wird dir Malvida um so
besser gefallen«, sagte er zu Flora, die sehnsüchtig zu den Ställen sah.
    »Wer
ist denn Malvida?«
    Er zog
seine Mütze vom Kopf und tat, als suche er etwas darin. »G eläng' es mir, des
Weltalls Grund,Somit auch meinen, auszusagen,So könnt' ich auch zur selben
Stund/Mich selbst auf meinen Armen tragen.«
    Flora
zog einen Schmollmund. »Das ist doch keine Antwort auf meine Frage.«
    Victoria
sah ihn verblüfft an. »Sie kennen Grillparzer?«
    »Sieh
an. Sie kennen ihn auch«, gab er schmunzelnd zurück.
    »Trauen
Sie Frauen etwa keine literarische Lektüre zu?«
    »Hätten
Sie Ihre Eingangsfrage auch gestellt, wenn ich einen Cutaway trüge?«
    »Mir
ist kalt«, sagte Flora.
    »Oh, Verzeihung!
Wie unhöflich von mir.« Hopf klopfte gegen die Tür. Ein blasses Mädchen
öffnete. »Bitte führe die Damen in den Salon, Briddy. Ich komme gleich nach.«
    Das
Mädchen nahm Hüte, Schals und Mäntel entgegen. Der Salon lag am jenseitigen
Ende der düsteren Diele und war im Vergleich zu den Räumlichkeiten im
Könitzschen Stadtpalais bescheiden, sowohl was seine Größe, als auch, was die
Möblierung anging: ein Tisch, ein grünes Sofa mit passenden Polsterstühlen,
ein einfach gearbeitetes Büffet und zwei Korbsessel vor einem aus Backstein
gemauerten Kamin. Es gab keine Büsten, keine Nippfiguren, keinen Blumenschmuck,
nicht einmal Bilder an den Wänden. Die vier gerahmten Photographien auf dem
Kaminsims fielen daher um so mehr ins Auge.
    Vicki
und Flora setzten sich, Tessa blieb stehen. Victoria hielt ihre Hände über das
Feuer. Verstohlen betrachtete sie die Photos: das Porträt eines älteren Mannes,
das Bildnis einer jungen Frau, ein Säugling im Taufkleid und schließlich, ein
wenig abgerückt von den anderen, eine etwa vierzigjährige Frau, die neben einem
blumengeschmückten Tischchen stand. Der Haartracht und dem altmodischen Kleid
nach zu urteilen, handelte es sich um eine Aufnahme aus den siebziger oder
achtziger Jahren.
    Briddy
brachte die Schokolade. »Möchten Sie auch eine Tasse, gnädige Frau?«
    Victoria
schüttelte den Kopf. Die Frau sah noch sehr kindlich aus. Ob der Säugling zu
ihr gehörte?
    »Meine
Familie«, sagte Karl Hopf von der Tür. Victoria hatte Mühe, ihre Überraschung
zu verbergen: Statt der Stallkleidung trug er einen dunkelblauen Tagesanzug,
eine farblich passende Weste und ein Hemd mit Langbinder. Es war, als stehe ein
anderer Mensch vor ihr.
    »Ich
vermute, jetzt nehmen Sie mir auch Grillparzer ab?« sagte er lächelnd.
    Flora
stand auf. »Kann ich bitte endlich die Hündchen sehen?«
    »Aber
sicher. Malvida wartet schon.« Hopf klingelte, und kurz darauf kam ein Junge
mit einer Holzkiste herein. Er stellte sie auf den Boden.
    »Du
darfst den Deckel abnehmen, aber vorsichtig. Sonst erschreckt sie sich.«
    »Oh, Mama!
Schau, wie niedlich!«
    Victoria
sah neugierig in die mit Stroh ausgelegte Kiste. Der kleine Hund hatte ein
honigfarbenes Gesicht, Hängeohren und ein seidiges Fell. Als Flora ihn anfassen
wollte, verkroch er sich in eine Ecke.
    »Malvida
wird ein Weilchen brauchen, bis sie sich an dich gewöhnt hat«, sagte Karl
Hopf. »Aber ich bin sicher, sie wird ihrer Namensvetterin recht bald alle Ehre
machen.«
    »Und
wer ist ihre Namensvetterin?«
    Hopf
sah Victoria an.
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