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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola
Autoren: Die Farbe von Kristall
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»Malvida Freiin von Meysenbug, eine aufmüpfige,
schriftstellernde Dame, die es verdient, nicht vergessen zu werden. Sie starb
im vergangenen Jahr.«
    Victoria
lachte. »Und da lassen Sie sie ausgerechnet in einem Hund weiterleben?«
    »Nicht
der Körper, die Seele ist es, was zählt«, sagte er ernst und legte den Deckel
wieder auf die Kiste.
    »Ich
hätte sie so gern gestreichelt«, klagte Flora.
    Hopf
zeigte auf den Jungen. »Weißt du was? Benno stellt dir Malvidas Familie vor.
Möchtest du?«
    »O ja!
Kommst du mit, Vicki?«
    Sie nickte,
aber Victoria sah ihr an, daß sie alles andere lieber tun würde, als mit ihrem
maßgeschneiderten Kleid in einem Hundestall herumzulaufen. Als sie gegangen
waren, kam Briddy herein. Sie wirkte noch blasser. Tessa erbot sich, ihr mit
dem Geschirr zu helfen.
    Karl
Hopf trug die Kiste in die Nähe des Kamins, nahm den Deckel ab, streichelte den
Welpen und sprach beruhigend auf ihn ein.
    »Welche
Rassen züchten Sie?« fragte Victoria.
    »St.-Bernhardhunde
in der Hauptsache, Seiden- und Wachtelhunde in der Nebensache. Die Frankfurter
Damenwelt ist ganz verrückt nach meinen Chins.«
    »Meine
Schwester aber sicherlich nicht.«
    »Nein.
Die gute Maria mag keine Hunde.« Er schloß die Kiste. »Sie ist ein
außergewöhnlicher Mensch.« Er sagte es ohne jeden Hintersinn, und Victoria
fragte sich, was ein Hundezüchter an einer Frau fand, die keine Hunde mochte,
alles andere als Liebreiz ausstrahlte und noch dazu ständig über Mode und
übers Essen redete.
    »Ich
lernte Ihre Schwester übrigens im Haus Ihrer Schwägerin, Gräfin von Tennitz,
kennen.«
    »Ah
ja«, sagte Victoria.
    »Sie
haben nicht das beste Verhältnis zu ihr, oder?«
    »Zu
wem? Maria oder Cornelia?«
    »Sowohl
als auch.«
    Victoria
errötete. »Nun, wir verstehen uns recht gut.«
    Er
lachte. Es war ein herzliches, warmes Lachen. »Ich nehme an, Sie haben Ihre
Schwester zum Teufel gewünscht, als Sie von ihrem Geschenk erfuhren.«
    »Nein,
wirklich nicht. Malvida ist sehr hübsch.«
    Et blieb vor ihr
stehen. »Sie sind Maria kein bißchen ähnlich.« Er strich über den Pelzbesatz
ihres Kleides. »Oder doch?«
    Victoria
fehlten die Worte. Seine Augen waren von einem Grün, wie sie es noch nie
gesehen hatte. Er berührte ihr Haar. »Sie sehen nicht glücklich aus.«
    Victoria
zeigte auf die Photographien. »Ihre Frau ist sehr jung. Oder ist es eine
Verwandte?«
    Sein
Lächeln erstarb. »Mein Vater, mein Sohn, meine Frau«, zählte er mit tonloser
Stimme auf. »Und meine Mutter. Als sie so alt war wie ich. Sie lebt in
Offenbach.«
    »Und
die anderen?«
    Er sah
sie an. »Memento mrti. 19. April 1895, 1. April 1896, 28. November
1902.«
    »Wollen
Sie damit sagen, sie sind...?«
    »To t.«
    Victoria
konnte seinem Blick nicht standhalten. Sie wünschte, ihre Töchter kämen
zurück. Oder Tessa. Oder die bleichgesichtige Briddy. »Bitte verzeihen Sie.
Ich hatte kein Recht...«
    »Wollen
Sie wissen, woran sie gestorben sind? Mein Vater an Influenza, mein Sohn an
Kiefervereiterung. Und Josefa...» Er nahm die Photographie und strich mit den
Fingerspitzen darüber. Die zärtliche Geste stand in auffallendem Mißverhältnis
zu seinem feindseligen Gesichtsausdruck. »Man sagt, ich hätte sie umgebracht.«
    Victoria
wagte nicht zu fragen, wer das behauptete und warum.
    Er
stellte das Photo zurück. »Warum fragen Sie nicht, ob ich es getan habe?«
    Sie versuchte
ein Lächeln. »Nun... haben Sie?«
    »Was
wäre, wenn ich ja sagte?«
    »Ich
würde es nicht glauben.«
    »Warum?«
    »Sie
sehen nicht wie ein Mörder aus.«
    Sein
Gesicht entspannte sich. »Wie müßte ich denn aussehen, daß Sie mir eine solche
Tat zutrauten?«
    »Woran
ist sie gestorben?«
    Er
legte ein Scheit Holz ins Feuer. »Die Sektion ergab, daß sie an einem Geschwür
am Zwölffingerdarm litt.«
    Victoria
lächelte. »Ich hatte also recht.«
    »Womit?«
    »Daß
Sie nicht wie ein Mörder aussehen.«
    »Und
deshalb keiner sein kann? Für diese Deduktion bekämen Sie in der Baker Street
aber ein entschiedenes Kontra, gnädige Frau.«
    »Bitte?«
fragte sie verblüfft.
    »Es
läuft der scharlachrote Faden des Mordes durch das farblose Gewebe des Lebens,
und es ist unsere Pflicht, ihn herauszulösen und zu isolieren und jedes
Stückchen bloßzulegen. Maria hat mir
verraten, daß Sie ein Bewunderer von Sherlock Holmes sind.«
    Sie sah
ihn wütend an. »Gibt es etwas, das meine geschwätzige Schwester nicht
ausgeplaudert hat?«
    »Sie
tun ihr unrecht. Maria ist
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