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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb.
Autoren: Andrea Camilleri
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selbst aus wie ein Huhn, so voller Federn und Flaum war er.«
      »Aber wer hat ihn denn geheißen, diese Viecher abzuschlachten, als wäre er ein gewöhnlicher Stallräuber?«
      »Keiner. Giovannino erzählt, Ticktack habe heute nacht der Jähzorn gepackt, als er merkte, daß Vito den Braten gerochen hatte und sich deswegen nicht blicken ließ. Er zitterte am ganzen Leib und brabbelte wirres Zeug. So ist ihm schließlich in den Sinn gekommen, sich über die Hühner herzumachen, einfach so, um sich auszutoben.«
    »Ist der verrückt?«
      »Ich glaube, ja, auch Giovannino denkt so, doch Don Pietro ist absolut nicht davon zu überzeugen.«
    »Was sollen wir also tun?«
      »Don Pietro läßt dir ausrichten, es sei an der Zeit, daß du dir Gedanken um Vito machst.«
    »Ich denke schon an ihn, und ob ich an den denke!«
    »Laß mich ausreden. Er sagt, er habe auf dich hören wollen, und das sei in Ordnung, Vito habe er die Ohren langziehen lassen. Doch wenn's nach ihm gegangen wäre, könnte man mit Vito inzwischen nur noch auf spiritistischen Sitzungen reden. Außerdem sagt er, daß zwei Verwarnungen, wie Vito sie gekriegt hat, vollauf genügen, um selbst ein Kleinkind zur Vernunft zu bringen. Wenn Vito noch immer nicht begriffen hat, heißt das, er ist fest entschlossen, nicht begreifen zu wollen.«
    »Komm auf den Punkt.«
      »Ich komme auf den Punkt. Don Pietro will von dir wissen, ob du abspringen willst oder nicht. Wenn ja, kümmert er sich selbst darum, das Spielchen zu beenden.«
    »Wie will er das jetzt machen, wo Ticktack weg ist?«
      »Freunde finden sich immer, sei unbesorgt. In dem Fall aber läßt Don Pietro dich wissen, daß es ihm nicht leichtfallt, andere Personen wegen einer Sache zu bemühen, die bestens in der eigenen Familie hätte bleiben können.«
    »Ich bringe die Angelegenheit zu Ende.«
    »Können wir unbesorgt sein?«
      »Sag Don Pietro, ich danke ihm für alles, was er für mich getan hat, und da die Dinge nun einmal so gelaufen sind, will ich die Ehre haben, ihm, wie es ihm gebührt, zu Diensten zu sein.«
    »Alles Gute.«
    »Ich lasse grüßen.«
      »Ach verzeih, das Wichtigste hätte ich beinahe vergessen: Er sagt, wenn du dich darum kümmern willst, wäre es besser, die Sache noch heute abend zu erledigen.«
    »Gesagt, getan.«

    Die Prozession war schon seit einer Weile vorbeigezogen, auf der kleinen Piazza stritten sich zwei Hunde um ein Stück Brot, als es Vito endlich gelang, die Hände vom Geländer zu lösen und in sein Zimmer zurückzukehren – in der Rechten hielt er noch die Karte, die völlig zerknautscht und schweißnaß war. Nur mit Mühe beugte er die Knie und setzte sich aufs Bett. Nun bestand kein Zweifel mehr. Die Postkarte, die wollten sie von ihm!
      Und seit zwei Tagen forderten sie sie mit sanften wie mit harten Methoden ein. Wer genau wollte sie?
      Scimeni war auf irgendeine Weise in die Sache verstrickt, und seine Tochter Carmela ebenfalls, denn diese Worte konnte nur sie geschrieben haben, als sie wegen der Behandlung ihres Beins auf dem Festland weilte. Sie hatte die Karte jemandem geschickt, mit dem sie ein Techtelmechtel hatte, und dieser Jemand hatte sie auf seinem Grundstück verloren, als er dort Mirabile umbrachte. Die einzige Lösung war, sie sofort in den Abort zu werfen und die Spülung zu ziehen. Aber hätten die anderen das geglaubt? Sie wußten, daß er die Karte hatte, wie könnte er sie davon überzeugen, daß er es wie Pilatus halten und die ganze Geschichte ein für allemal vergessen wollte? Oder sollte er zu Scimeni rennen, ihm die Karte geben, ihn für die Störung tausendfach um Verzeihung bitten und wieder gehen? Und Scimeni, der wußte, daß er Bescheid wußte, würde ihn trotzdem erschießen lassen, damit er die Geschichte nicht in der Gegend herumerzählte.
    Zu Corbo zu gehen, daran war überhaupt nicht zu denken, selbst einen Meter vor der Kaserne würden sie ihn noch abknallen. Außerdem waren das keine Dinge, derentwegen man Zuflucht beim Gesetz sucht, das waren viel zu große Sachen, die man besser mit Hilfe von Freunden wieder in Ordnung brachte. Masino. Die beste Lösung blieb die, sich Rat bei Masino zu holen. Er erhob sich, zog die Schublade des Nachtkastens auf, holte eine alte Fünfkaliber Smith & Wesson hervor und sah sie nachdenklich an. Der Lauf war verrostet, das letzte Mal hatte er vor sieben Jahren damit geschossen, als er mit Freunden zum Spaß ein Zielschießen veranstaltet hatte. Seit damals
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