Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
Vom Netzwerk:
dicke daherkommen. Ein Toter im Hafen und hier ein aufgebrochenes Haus, von dem niemand wusste, was einen drinnen erwartete. Mysteriös. Er steckte das Telefon weg und wartete auf die Streife, die ihn unterstützen sollte, nicht ohne dem einsamen Gehöft seine ganze Aufmerksamkeit zu widmen.
    *
    Conrad Schielin und die anderen saßen im Besprechungsraum. So recht kam kein Schwung in ihr Gespräch, das sich entkräftet dahinschleppte. Ohne es auszusprechen, waren ihre Gedanken bei Robert Funk, der in Nonnenhorn unterwegs war und von dem man gerne Nachricht gehabt hätte. Verstärkung hatte er bei Gommi angefordert, und keiner von ihnen hatte ihm helfen können. Eine ärgerliche Sache. Was ihn wohl erwartete, in diesem Nonnenhorner Haus?
    Durch die dunkelgrauen Wolken drang inzwischen mattes Licht. Dennoch brauchte man in jedem Büro Beleuchtung. Hier im Besprechungsraum sorgten die Kerzen für eine unangemessen heimelige Atmosphäre. Draußen hatte der Wind aufgefrischt und blies nun beständig aus Nordost. In den windstillen Momenten wechselten Regen- und Schneefall miteinander ab, denn der Winter verfügte noch nicht über die Kraft, sich ganz durchzusetzen.
    So löste sich die Runde auf und jeder ging seiner Aufgabe nach. Schielin telefonierte mit der Firma Thomann, um möglichst schnell Auskunft den Wohnungsschlüssel betreffend zu erhalten, Wenzel organisierte einen Termin für die Obduktion, die möglichst noch heute stattfinden sollte, um nicht über ein langes Wochenende auf die für die Ermittlungen wichtigen Ergebnisse warten zu müssen. Lydia Naber stellte eine Liste der Firmen zusammen, die am Aufbau des Budendorfes für die Hafenweihnacht beteiligt waren und Erich Gommert war leise vor sich hin murmelnd in sein Büro verschwunden. Nicht leise genug jedoch, als dass man es nicht bis ins hinterste Büro hätte vernehmen können.
    Lydia sah von ihrer Arbeit auf und meinte zu Schielin: »Jetzt wird er aber langsam ganz komisch, unser Gommi, meinst du nicht auch? Der redet doch seit geraumer Zeit ständig mit sich selbst und murmelt immer öfter unverständliches Zeug vor sich hin. Und mit Hundle redet er jederzeit so, als wäre das ein Mensch, nur dass er sich selbst dann auch noch die Antworten auf jene Fragen gibt, die er dem Hund stellt. Dass das bloß niemand Falsches mitbekommt, sonst hat er mal schnell einen Termin beim Polizeipsychologen.«
    Schielin zuckte mit den Schultern. Auch ihm war das schon aufgefallen, wie vertraut Gommi mit Hundle redete; es war ihm allerdings nicht als sonderlich ungewöhnlich erschienen – schließlich führte auch er Gespräche mit seinem Esel Ronsard. Es war nur gut, dass das in aller Abgeschiedenheit stattfand, sonst hätte er sicher schon lange auf einer Couch liegen müssen. Er beließ es also beim Schulterzucken und arbeitete weiter.
    Erich Gommert setzte sich vor seinen Bildschirm und öffnete die Exceltabelle, die vom Polizeipräsidium in Kempten übermittelt worden war. Vorsichtig scrollte er zur Spalte AX, Zeile vierhundertdreiundachtzig und tippte die Zahl ein, die er auf einem Notizblock stehen hatte. Dann stöhnte er wieder auf und erzählte Hundle von seiner Not mit der präsidialen Verwaltung in Kempten. Wem sollte er es auch sonst erzählen, der genug Verständnis für die Grausamkeiten einer Bürokratie aufgebracht hätte. Niemand interessierte sich dafür, niemand wollte es hören. Da blieb nur Hundle.
    *
    Die Streife war schneller als erwartet in Nonnenhorn aufgetaucht. Nach kurzer Diskussion entschieden sie sich zu dritt in das Haus zu gehen und auf einen Posten an der Straße zu verzichten. Sollte noch jemand im Hause sein, war jede Hand unverzichtbar.
    Der Zugang durch den Anbau führte, wie es Robert Funk schon vermutet hatte, zu einem breiten Gang, von dem aus ein Durchgang in die Garage leitete und ein weiterer in das Innere des Wohnhauses. Wie sie feststellten, war die Tür zur Garage unversehrt. Doch die zum Haus war unzweifelhaft aufgebrochen worden und stand halb offen. Die Lichtstrahlen ihrer Taschenlampen warfen harte Schatten, wenn sie suchend durch den Raum leuchteten. Robert Funk untersuchte mit geübtem Blick die Aufbruchsspuren und stellte schon beim bloßen Hinsehen fest, dass kein Könner am Werk gewesen war; keiner, der auf elegante Weise eine Tür aufhebeln konnte – schnell, effektiv und leise, denn das war das Bedeutsame in der Stille einer Nacht. Und stand nicht schon in der Bibel von dem Dieb geschrieben, der in der Nacht kommt?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher