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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht
Autoren: J.M. Soedher
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nach zu urteilen, waren die Fotos zwei, drei Jahrzehnte alt.

    Drunten in der Küche öffnete er einige Schränke und Schubladen. Küchen- und Essgeschirr war noch vorhanden und das Besteck lag nicht in Schubladenfächern für Gabel, Messer und Löffel; vielmehr steckte jedes Messer, jede Gabel und jeder Löffel in einem Filzhalter. Sehr aufwendig. Das Klacken der Küchenuhr drang an sein Ohr, als er nachdenklich an der Arbeitsplatte lehnte. Die war also nach wie vor mit einer Batterie bestückt. Was hatte der Einbrecher, der tatsächlich hier gewesen war, nur gesucht?
    Lebensmittel fand er keine mehr, der Kühlschrank war abgeschaltet, ebenso der Gefrierschrank im Nebenraum der Küche. Ein paar Gewürze standen in einem Regal. Der Esstisch vor der Eckbank gegenüber der Küchenzeile war leer. Die Stühle, die früher sicher einmal davorgestanden hatten, fehlten.

    Gegenüber der Küche lag in praktischer Anordnung das Wohnzimmer. Die Decke und frei liegenden Wände in mattheller Raufasertapete, auf dem Boden ein dunkelroter Veloursteppich, vor der breiten Fensterfront zur Terrasse schwere beige gemusterte Vorhänge und Stores. Der Raum wurde von einer wuchtigen, in Eichenholz gefassten, dunkelbraunen Ledergarnitur beherrscht. Das Ecksofa und der Sessel reihten sich um einen massiven Glastisch, über welchem eine Lampe an zwei schmiedeeisernen Ketten hing. Die geätzten, gläsernen Leuchten waren an einem fast schwarzen Stück grob behauenen Holzes angebracht. Robert Funks Blick blieb auf den wulstigen Schwüngen der Couchgarnitur hängen. Das dunkelbraune Leder war matt, doch er vermisste die Abriebe auf den Sitzflächen und an den Armlehnen, wie sie benutzte Ledermöbel haben mussten.
    Er hörte sich selbst einen verwunderten Laut abgeben.
    Es roch nach vertrocknetem Alter und ab und an spürte er, wie die trockene Luft ein Kitzeln im Hals hervorbrachte und ihn kurz darauf husten ließ. Alles hier war dunkel, kahl, sauber und schwer, massiv und lichtschluckend. Als er ein paar Schritte durchs Wohnzimmer ging, hatte er das Gefühl, sich im Angesicht dieses Interieurs wie in Zeitlupe zu bewegen, so als würde nicht nur das Licht geschluckt, sondern auch jede menschliche Energie. Alles war schwer und langsam und sauber und gepflegt. Es waren bedrückende Räume.
    Die Schrankwand in dunkel gebeiztem Holz musste auf Maß eingearbeitet worden sein, denn sie führte um die Ecke bis zum Terrassenfenster und nutzte den Raum bis an die Decke vollständig aus. Hinter einer breiten verglasten Klappe lagerten Cognac, Liköre und verschiedene Obstbrände. Über einem Sideboard in der hinteren Ecke hing ein weißes Laken. Da er draußen am Klingelschild keinen Namen hatte finden können, suchte er hier nach Unterlagen, denen er die Namen der Hauseigentümer entnehmen konnte. Entweder lagerten derlei Dokumente in den Schubladen eines so gewaltigen Wohnzimmerschrankes oder in einem Arbeitszimmer.
    Droben im Dachboden waren sie vorhin auf einen großen Raum gestoßen, der ohne Zweifel als Arbeitszimmer genutzt worden war, wie einem die hohen, funktionalen Einbauschränke, die ausladende Arbeitsplatte und vor allem das große Reißbrett nahelegten.
    Robert Funks Suche war bereits im Wohnzimmer erfolgreich. Einem schmalen Aktenordner mit Versicherungsunterlagen entnahm er zunächst den Namen Heinrich Drohst und fand später auch dessen Frau, Margarete Drohst, eine geborene Schaack. Die beiden hatten zwei Kinder, Britta und Jochen.
    Ob die beiden noch lebten? Fast wollte Robert Funk das bezweifeln, da er sich gar nicht vorstellen konnte, dass es jemanden geben könnte, der ein Haus, welches so nahe am See gelegen war, nicht bewohnen wollte, oder nicht wenigstens vermieten oder anderweitig nutzen ließ. Und Räume ließen sich schließlich umgestalten. Es war schade um diesen schönen Flecken Erde, ganz besonders um den großen Garten, schade, dass hier keine Menschen lebten, die Freude daran haben durften. Er machte letzte Notizen und packte seine Sachen zusammen.
    Gerade als er gehen wollte, fiel ihm die Garage ein. Die hatten sie ja ganz vergessen. Aber da führten die Spuren des Einbruchs ja auch nicht hin. Robert Funk blieb im Gang stehen und überlegte. In einer der Schubladen im Wohnzimmerschrank hatte er einen kleinen Karton mit Schlüsseln gefunden. Das ehemals starke Kartonpapier war durch das Altern bereits ganz weich geworden. Er lief zurück ins Wohnzimmer und kramte die Schachtel hervor. Vielleicht passte ja einer der
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