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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen
Autoren: Alfred Bester
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daraus?«
    »Keine ohne einen Gesellschaftsanalytiker«, antwortete Carpenter und griff zum Interkom.
    »Rufen Sie keinen, ich werde Ihnen später alles erklären. Noch einige Hinweise: Lela Machan zum Beispiel. Sie flüchtet in das Römische Reich, wo sie das Leben ihrer Träume als femme fatale verbringt. Jeder Mann liebt sie dort, Julius Caesar, Savonarola, die gesamte zwanzigste Legion und auch ein Junge namens Ben Hur. Verstehen Sie nun; was daran falsch ist?«
    »Nein.«
    »Sie raucht sogar Zigaretten.«
    »Nun?« fragte Carpenter nach einer Weile.
    »Ich fahre fort«, sagte Scrim. »George Hanmer flüchtet in das England des neunzehnten Jahrhunderts, wo er zum Mitglied des Unterhauses wird und Gladstone, Winston Churchill und Disraeli als Freunde gewinnt. Letzterer nimmt ihn in seinem Rolls Royce mit. Wissen Sie, was ein Rolls Royce ist?«
    »Nein.«
    »Der Name eines Autos.«
    »So?«
    »Verstehen Sie denn immer noch nicht?«
    »Nein.«
    Scrim schritt verzückt den Gang entlang. »Carpenter, diese Entdeckung ist bedeutender als die der Teleportation oder der Zeitreise. Hier kann die Möglichkeit zur Rettung der Menschheit liegen. Und ich glaube nicht, daß ich jetzt übertreibe. Diese zwei Dutzend Patienten, Opfer eines Schocks, wurden von der H-Bombe in etwas so Unermeßliches getrieben, daß es nicht verwunderlich ist, daß Ihre Spezialisten und Experten es nicht begreifen können!«
    »Was, zum Teufel, ist wichtiger als die Zeitreise, Scrim?«
    »Hören Sie zu, Carpenter. Eisenhower war nicht vor Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts im Amt. Nathan Riley hätte niemals der Freund von Diamond Jim Brady sein und gleichzeitig auf Eisenhower wetten können. Brady starb fünfundzwanzig Jahre, bevor Ike Präsident wurde. Marciano besiegte La Starza fünfzig Jahre nach Henry Fords Firmengründung. Nathan Rileys Zeitreise ist voll von weiteren Anachronismen dieser Art.«
    Carpenter schaute verblüfft drein.
    »Lela Machan hätte niemals Ben Hur als Geliebten haben können. Es gab nie einen Ben Hur in Rom, gab überhaupt keinen Ben Hur. Das ist eine Romangestalt. Sie hätte nicht rauchen können, da damals der Tabak in Rom noch unbekannt war. Verstehen Sie? Weitere Anachronismen. Disraeli hätte George Hanmer niemals in einem Rolls Royce mitnehmen können, da dieser Autotyp erst lange nach Disraelis Tod entwickelt wurde.«
    »Zum Teufel!« schrie Carpenter. »Wollen Sie damit sagen, daß alles erlogen ist?«
    »Nein. Vergessen Sie nicht, daß die Patienten keinen Schlaf und keine Nahrung benötigen. Sie lügen nicht. In Ordnung, sie gehen wirklich in die Zeit zurück, essen und schlafen dort.«
    »Aber gerade haben Sie gesagt, daß die Geschichten nicht stimmen könnten. Daß sie voller Anachronismen sind.«
    »Weil sie in eine Welt ihrer eigenen Vorstellung zurückreisen. Nathan Riley hat ein eigenes Bild davon, wie das Amerika des frühen zwanzigsten Jahrhunderts aussah. Es ist falsch und anachronistisch, da sein Wissen viel zu gering ist – aber für ihn ist es wirklich. Er kann dort leben. Das gleiche gilt für die anderen Patienten.« Carpenter glotzte ihn an.
    »Dieses Konzept liegt jenseits unseres Verständnisses. Ihre Patienten haben entdeckt, wie sie ihre Träume Wahrheit werden lassen können. Sie wissen, wie in diese Traumwahrheiten einzudringen ist. Sie können darin bleiben, dort leben, vielleicht sogar für immer. Mein Gott, Carpenter, das ist Ihr Amerikanischer Traum. Er schafft Wunder, bietet Unsterblichkeit, gottgleiche Schöpfungen, Herrschaft des Geistes über die Materie… Er muß erforscht und studiert werden, muß der Welt zur Verfügung gestellt werden.«
    »Können Sie das schaffen, Scrim?«
    »Nein, das kann ich nicht. Ich bin ein Historiker und arbeite nicht kreativ. Das würde über meine Fähigkeiten hinausgehen. Sie brauchen einen Dichter, einen Künstler, der sich auf die Erschaffung eines Traumes versteht. Wenn man Träume auf dem Papier erschafft, sollte der kleine Schritt, sie auch in Wirklichkeit zu erschaffen, nicht allzu schwer werden.«
    »Einen Dichter? Meinen Sie das im Ernst?«
    »Natürlich. Wissen Sie nicht, was ein Dichter ist? Seit fünf Jahren erzählen Sie uns, daß dieser Krieg geführt wird, um die Dichter zu retten.«
    »Machen Sie sich nicht über mich lustig, Scrim. Ich werde…«
    »Schicken Sie einen Dichter in die Station T. Er wird lernen, wie man so etwas vollbringen kann. Nur ein Dichter ist dazu in der Lage – in gewisser Weise besteht seine Arbeit ja
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