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Hämatom

Hämatom

Titel: Hämatom
Autoren: Lucie Flebbe
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darauf das Kondom auf den Nachtschrank
schnippte, drehte ich mich auf die Seite und schlief wieder ein.

    Â 
    Â»Biste fit?«, weckte mich Ozzy später.
    Auch diesmal brauchte ich ein paar Sekunden, um mich zu
erinnern. Ich sah mich um und entdeckte das Kondom auf dem Nachtschrank.
    Mir wurde schon wieder übel.
    Draußen war es dunkel. Ich warf einen Blick auf die Uhr.
Neun Uhr. Abends? Hatte ich den ganzen Tag verschlafen?
    Ozzy wurschtelte sich bereits in seine Hose.
    Ich zog mir die Decke über den Kopf. Ich wollte liegen bleiben.
Einfach liegen bleiben, nie wieder aufstehen müssen.

    Ozzy betrachtete mich einen Augenblick. Dann riss er mir
die Decke weg: »Lass uns losziehen, dann geht es dir besser.«
    Ich starrte an die Wand. Meine Arme und Beine fühlten
sich leblos an, mein Kopf war bleischwer. Selbst wenn ich gewollt hätte, hätte
ich mich nicht bewegen können.
    Aber ich wollte auch nicht.
    Ozzy kramte in seiner Hosentasche. »Hier. Das bringt dich
auf die Beine.« Er hielt mir eine Hand hin.
    In seiner großen Handfläche lagen drei kleine, weiße Tabletten,
von denen Ozzy noch ein paar Fusseln heruntersammelte. »Das gibt Strom für die
ganze Nacht.«
    Ich musterte ihn misstrauisch: »Was ist das?«
    Â»Depri-Killer.«
    Aufputschmittel. Ecstasy oder so was. Ich hatte nie was
Härteres als Hasch probiert.
    Ich zögerte eine Sekunde, bevor ich zugriff.

    Â 

3.
    Mein Herz pochte immer noch panisch.
    Ich musste endlich was tun. Egal was, aber es musste bald
geschehen. Ich konnte nicht ewig auf diesem Dach sitzen bleiben. Nicht nur weil
ich in absehbarer Zeit festfrieren würde, sondern auch weil die Dämmerung den
Nachthimmel im Osten allmählich grau färbte.
    Ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich versuchte, mich
wieder an meine Gedanken zu klammern, mich zu erinnern, was passiert war,
nachdem ich die Drogen genommen hatte. Seitdem glich mein Leben einem
kunterbunten Albtraum: Ich erinnerte mich an bunte Discolichter, bunte
Cocktails und bunte Tabletten.
    Und ich erinnerte mich an Sex.
    Auf Ozzy, dessen richtigen Namen ich bis heute nicht
kannte, war ein griechischer Türsteher mit Pferdeschwanz gefolgt, dann ein
farbiger DJ, dann einer, der auf den lustigen Namen › Mörtel‹ hörte, und sicher noch andere, die mein Gehirn gar nicht
erst gespeichert hatte.
    Ich hatte keine Ahnung, in wie vielen fremden Betten ich
aufgewacht war und in wie viele fremde Toiletten ich gekotzt hatte. Ich konnte
nicht einmal annähernd sagen, wie viele Wochen ich mithilfe von Alkohol, Drogen
und Sex aus meinem Gedächtnis gelöscht hatte.
    Ich hatte versucht, mich zu betäuben. Mit allen Mitteln.
    Doch heute war ich unsanft aus meinem kunterbunten Albtraum
geweckt worden.

    Â 
    Der Typ war übergewichtig und stank nach altem
Schweiß und dem Leder seiner Jacke. Mit einem fettigen, grauen Pferdeschwanz im
Nacken wirkte er wie ein in die Jahre gekommener Rocker. Er kramte einen
durchsichtigen Plastikbeutel aus der Hosentasche und schüttelte die Pillen
darin hin und her.
    Ich hielt ihm ein paar Fünfeuroscheine hin.
    Seine flinken, kleinen Schweineaugen blieben an meinem
Busen kleben: »Alles wird teurer, Schätzchen!«
    Ich blinzelte.
    Â»Kannst es abarbeiten. Geh mit mir aufs Klo und schon
hast du deinen Kick.« Mit einem Nicken deutete er auf die Türreihe hinter mir.
Wir standen in der Damentoilette.
    Â»Vergiss es«, knurrte ich. »Hol dir selbst einen runter!«
    Ich steckte die Scheine wieder ein und wollte gehen. Als
er mich an der Schulter packte, wirbelte ich reflexartig herum.
    Â»Stell dich nicht so an! Du brauchst das Zeug. Ich bin
doch nicht blind. Also zick nicht rum!« Er packte mich an den Oberarmen und
schob mich rückwärts auf die nächste Toilettentür zu.
    Ich riss mein Knie hoch. Durch jahrelanges Karatetraining
traf ich blitzschnell und punktgenau. Jaulend griff er sich zwischen die Beine
und sackte zusammen.
    Wie benommen blieb ich stehen. Mein Blick fiel in den
schmutzigen Spiegel und ich begriff, dass der Dealer recht hatte. Ich sah aus
wie ein Junkie. Mein Gesicht war leichenbleich, eingefallen, mein Kinn spitz
und an meinem Hals traten die Schlüsselbeinknochen hervor. Die Ringe unter
meinen blauen Augen waren tiefschwarz, meine ursprünglich blonden Haare nur
noch verfilzte Strähnen. Und bei dem Gedanken, dass ich die Drogen nicht
bekommen würde, lief mir ein
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