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Hades

Hades

Titel: Hades
Autoren: Alexandra Adornetto
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nach, Ma’am?», fragte er.
    «Nur darüber, dass ich mir ausgerechnet einen Cowboy geangelt habe. Habe ich nicht etwas Besseres verdient?», neckte ich ihn.
    «Sie stellen Ihr Glück heute Abend ganz schön auf die Probe», sagte Xavier in gespieltem Ernst. «Ich bin ein Cowboy mit schlechten Nerven.»
    Ich lachte, auch wenn mir nicht ganz klar war, ob dies vielleicht ein Buch- oder Filmzitat war. Ich hätte ihn danach fragen können, aber eigentlich war es egal. Alles, was zählte, war, dass wir zusammen waren. Was spielte es für eine Rolle, wenn ich einen Witz nicht begriff?
    Schließlich bogen wir in die geschwungene, zugewucherte Einfahrt ein, direkt hinter einem verbeulten Pick-up voller Jungs, die sich das «Wolfsrudel» nannten. Mir war nicht ganz klar, was sie damit sagen wollten, aber jedenfalls trugen sie alle khakifarbene Kopftücher und schwarze Kriegsbemalung auf Brust und Gesicht.
    «Eine gute Entschuldigung, oben ohne zu kommen», witzelte Xavier.
    Die Jungen lümmelten sich auf der Ladefläche des Pick-ups herum, rauchten eine nach der anderen und leerten gemeinsam ein kleines Bierfass. Als sie eingeparkt hatten, heulten sie alle los wie die Wölfe, sprangen ab und rannten ins Haus. Einer von ihnen musste sich auf dem Weg in einen Busch übergeben. Gleich danach lief er den anderen hinterher.
    Das Haus passte perfekt zu Halloween. Es war alt und verfallen und hatte eine knarrende Veranda, die sich über die gesamte Vorderfront erstreckte. Es musste einmal weiß gewesen sein, doch die Farbe war so abgeblättert, dass sie graue Holzlatten enthüllte, was dem ganzen Haus einen verwahrlosten Touch gab.
    Austin hatte sich bei der Deko mit Sicherheit von seinen Freundinnen helfen lassen, denn die gesamte Veranda war von Kürbislaternen und Leuchtstäben erhellt. Die Fenster im ersten Stock hingegen lagen komplett im Dunkeln. Ansonsten war kein Zeichen von Zivilisation zu entdecken. Falls es Nachbarn gab, waren sie zu weit weg, als dass man sie hätte sehen können. Mir war jetzt endgültig klar, warum dieses Haus für die Party ausgewählt wurde. Wir konnten so viel Lärm machen, wie wir wollten, ohne dass es jemand mitbekam. Irgendwie gefiel mir der Gedanke nicht.
    Von der Hauptstraße war das Grundstück, auf dem das Haus stand, lediglich durch einen zerfallenen Zaun getrennt, der schon bessere Tage gesehen hatte. Ungefähr hundert Meter von uns entfernt, hing auf dem Feld eine Vogelscheuche an einem Stab. Ihr Körper war schlaff und der Kopf auf unheimliche Weise zur Seite gekippt.
    «Wie gruselig!», flüsterte ich und rückte näher an Xavier heran. «Sie wirkt richtig echt.»
    Er legte seinen starken Arm um mich. «Keine Angst», sagte er. «Sie vergreift sich nur an Mädchen, die ihren Freund nicht richtig zu schätzen wissen.»
    Ich verpasste ihm einen freundschaftlichen Stoß. «Das ist nicht witzig! Apropos – die anderen Mädchen finden, dass wir beide zu viel Zeit miteinander verbringen.»
    «Tja, da bin ich anderer Meinung.» Xavier drückte mich fester an sich.
    Im Haus herrschte bereits Gedränge. Überall standen Laternen und Kerzen, da es keinen Strom mehr gab; zu lange hatte hier keiner mehr gewohnt. Die Stufen der breiten Treppe, die links nach oben führte, waren zum Teil schon morsch und verfault. Jemand hatte an den Rand der Stufen Kerzen aufgestellt, von denen jetzt das Wachs heruntertropfte, was auf dem Holz eine Art Glasur hinterließ. Von der großen Eingangshalle im Erdgeschoss gingen mehrere leere dunkle Räume ab, die vermutlich bereits von betrunkenen Pärchen besetzt waren. Trotzdem machte mich die Dunkelheit nervös. Im Flur drängte sich bereits die verkleidete Menge. Manche Gäste hatten sich bei ihren Kostümen ziemlich verausgabt und waren mit Vampirzähnen, Teufelshörnern und jeder Menge Theaterblut ausgestattet. Ein großer Sensenmann glitt an uns vorbei, dessen Gesicht vollständig von einer Kapuze verdeckt war. Ich sah eine zombieartige Alice im Wunderland, eine Voodoo-Puppe, Edward mit den Scherenhänden und eine Maske mit dem Gesicht von Hannibal Lecter. Ich drückte Xaviers Hand fester. Natürlich wollte ich ihm nicht den Abend verderben, aber ich fühlte mich in dem ganzen Ambiente ziemlich unbehaglich. Es war, als wären die Figuren aus allen Horrorgeschichten plötzlich zum Leben erwacht. Das Einzige, was dem ganzen das Unheimliche nahm, waren das Geschnatter und Gelächter um uns herum. Dann stöpselte jemand einen iPod an einen Recorder, und auf einmal
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