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Hades und das zwoelfte Maedchen

Hades und das zwoelfte Maedchen

Titel: Hades und das zwoelfte Maedchen
Autoren: Aimée Carter
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klarstellen: Das hier ist reine Höflichkeit. Noch bin ich bereit, ein Jahrhundert zu warten, bevor ich vergehe, damit dem Rat genug Zeit bleibt, meinen Nachfolger auszubilden. Wenn ihr mir allerdings euren Segen verweigert, werde ich sofort zurücktreten.“
    Stille. Walter presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, und Calliope neben ihm wirkte, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Aber was hatten sie erwartet? Er war keiner von ihnen. Das war er nie gewesen. Die glücklichsten Jahre seines Daseins hatte er bereits hinter sich, und seine Pflichten reichten nicht länger aus, um ihn an seinem Platz zu halten.
    Neben ihm erhob sich Diana, beide Hände fest um seine Finger geschlossen. „Bruder“, beschwor sie ihn in einem Ton, der allein für ihn bestimmt war. „Ich kann deinen Schmerz nachempfinden. Ich spüre ihn selbst, und nichts wünsche ich mir mehr, als darüber hinwegzukommen. Aber Vergehen ist nicht die richtige Lösung.“
    „Für mich ist es das“, sagte er leise.
    „Aber es muss doch eine andere Möglichkeit geben. Irgendetwas, wofür du bleiben würdest.“
    Er senkte die Lider, und vor seinem inneren Auge erschien ein allzu vertrautes Gesicht. Dasselbe, das ihn seit fast einem Jahrtausend verfolgte. „Du weißt, was das wäre“, flüsterte er.
    Ihr wurde die Kehle eng. Sie wusste es. Natürlich wusste sie es. „Und was, wenn ich eine neue Königin für dich finde?“
    Eine neue Königin. Der Gedanke war so absurd, dass er fast lächeln musste. „Mich verlangt es weder nach einer neuen Königin noch nach einer neuen Gefährtin. Dieser Teil meines Lebens ist vorüber.“
    „Tatsächlich?“ Etwas huschte über ihr Gesicht, eine Entschlossenheit, die er nur zu gut kannte. „Was wäre, wenn wir uns einverstanden erklären, Bruder? Was, wenn wir dir gestatten, dein Reich über die nächsten einhundert Jahre langsam an jemand anders abzutreten, unter der Annahme, dass du am Ende vergehst – solange du uns dafür erlaubst, eine neue Gefährtin für dich aufzutreiben?“
    Ihm sank das Herz. Wieder gingen die Spielchen los. „Ich könnte sie niemals lieben. Nicht so, wie sie es verdient hätte.“
    „Wie kannst du dir da so sicher sein?“ Bevor er etwas einwenden konnte, wandte Diana sich an die anderen. „Ich sage, wir akzeptieren die Entscheidung unseres Bruders und gestehen ihm einhundert Jahre zu, um seine Angelegenheiten in Ordnung zu bringen – unter der Bedingung, dass er uns erlaubt, in dieser Zeit nach einer neuen Braut für ihn zu suchen. Eine, die er lieben kann und die seine Liebe erwidert. Eine, die ihm helfen kann, sein Reich zu regieren. Eine, die ihm einen Grund gibt zu bleiben.“
    Ein Raunen ging durch den Rat, und Aphrodite – Ava – war die Erste, die zustimmend nickte. „Ich finde, das ist eine brillante Idee“, lobte sie. „Ich wette, mit vereinten Kräften könnten wir eine Frau finden, die perfekt für dich ist.“
    Ihre Begeisterung war ansteckend, und schon bald schmiedeten alle mit leisen, aufgeregten Stimmen Pläne. Für Henry waren ihre Worte nichts als ein fernes Summen, als er sein Vorhaben langsam dahinschwinden sah. Sie konnten noch so oft behaupten, sie würden seine Wünsche respektieren – irgendwann, während die Jahrzehnte verstrichen, würden sie einen Weg finden, ihn hier festzuhalten.
    Doch bei dem hoffnungsvollen Leuchten, das sich auf Dianas Zügen ausbreitete, geriet er ins Zögern. Schließlich atmete er tief durch und ließ die Schultern sinken. Hundert Jahre würde er seiner Schwester zugestehen, und wenn der Rat den Pakt tatsächlich brach, würde er eben genau das tun, was er angekündigt hatte, und trotzdem augenblicklich zurücktreten. Dies war allein seine Entscheidung, und er würde nicht zulassen, dass sie sie für ihn trafen.
    „Also gut“, lenkte er ein. „Einhundert Jahre. Das ist alles, was ich euch gebe. Wenn wir uns am Ende dieser hundert Jahre nicht auf eine geeignete Königin für den Thron an meiner Seite einigen können …“ Er brachte es nicht über sich, Frau oder Geliebte zu sagen. „… werde ich als König der Unterwelt zurücktreten und vergehen.“
    „So sei es“, sagte Walter. „Schwester, dir überlasse ich vertrauensvoll die Aufgabe, eine geeignete Frau für unseren Bruder zu finden. Ava wird dich dabei unterstützen.“
    Diana nickte, ein strahlenderes Lächeln auf den Zügen, als er es seit Äonen bei ihr gesehen hatte. „Ich werde jemanden finden“, murmelte sie, wieder nur für
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