Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Habiru

Titel: Habiru
Autoren: Dirk Gerhardt
Vom Netzwerk:
viele haben Verwandtschaft bis nach Eridu.«
    Sarah war perplex. Kannten diese Menschen keine Liebe? Wenn Mann und Frau sich liebten, sollten sie doch eine eigene Familie gründen, und sich nicht nur nachts treffen können und dafür sogar womöglich in den nächsten Ort gehen müssen. Und Inanna konnte doch unmöglich ihr Lager mit verschiedenen Männern teilen, vielleicht sogar während sie mit Enri fest liiert war. Kannten diese Menschen keine Treue oder Eifersucht? Sie wollte diese Menschen nicht verletzen, hielt ihre Familienstruktur aber insgeheim für vorsintflutlich. Aber sagen könnte sie das diesen netten Menschen nie. Anderseits imponierte ihr der offene, natürliche Umgang mit diesen Themen in Inannas Sippe. Und das vor einer Fremden sogar beim Essen und auch noch vor den Kindern. Ihnen schien wirklich ein natürlicher Umgang mit dem Thema Sexualität erhalten geblieben zu sein. Im Moment wollte sie es erst mal dabei bewenden lassen.
    Sie überlegte, wie sie die Diskussion auf ein anderes Thema lenken konnte. Doch Arnek kam ihr zuvor, in dem er sie nach Hamburg fragte. Er wollte Genaueres erfahren, wo dieses Dorf liegen könnte. Schon die Frage nach dem »Dorf« brachte sie zum Schmunzeln.
    »Vielleicht kann ich dir helfen, dorthin zu finden, ich bin als Gesandter dieser Sippe und auch des Dorfrates schon in vielen Dörfern gewesen, und kenne einen Großteil unseres Landes.« fuhr er fort, um seiner Frage Nachdruck zu verleihen.
    Sarah überlegte, was sie sagen könnte. Diese Menschen schienen fernab jeglicher Zivilisation zu leben. Wie sollte sie beschreiben, wo Hamburg lag? »Also, Hamburg ist ein großes Dorf, fast zwei Millionen Menschen leben dort.« Die Zahl zwei Millionen schien keiner verstanden zu haben, vielleicht kannte diese Größenordnung hier niemand. Sarah versuchte weiter zu erklären: »Hamburg liegt an einem großen Fluss namens Elbe.«
    Auch Elbe führte zu keinem Aha-Effekt der anderen. Deshalb versuchte sie es weiter. »Das Land, in dem es liegt, nennt man Deutschland, und das wiederum liegt im Zentrum von Europa.« Aber auch das brachte keine sichtbare Reaktion. Wo bin ich bloß gelandet? Das mulmige Gefühl in ihr verstärkte sich wieder. Arnek antwortete, als er ihre wieder aufkommende Verzweifelung bemerkte: »Mir ist dieses Dorf kein Begriff, und weder von dem Land noch von dem Fluss habe ich je gehört. Tut mir leid. Aber vielleicht kann man dir in Eridu helfen.«
    »Was hat es denn mit Eridu auf sich? Der Name ist mir jetzt schon so oft begegnet.«
    Arnek taute richtig auf, als er nun von Eridu erzählen konnte.
    »Eridu ist einfach nur größer als unser Dorf. Es ist das Zentrum der Ma-sa. Wenn es irgendwo jemanden gibt, der dir helfen kann, dann in Eridu. Vielleicht können wir dort in Erfahrung bringen, wo Hamburg liegt und wie du hierher gekommen sein könntest. Und vielleicht auch wie du wieder dorthin zurück gelangen kannst.«
    Sarah war froh, dass man ihr helfen wollte. Der kurze Anflug von Panik vorhin war schon wieder vergessen. Inanna sagte: »Das mag sein. Arnek, Schena, wollt ihr Sarah nach Eridu begleiten?«
    Von beiden kamen zustimmende Äußerungen. Schena nickte freudestrahlend und Arnek murmelte ein »Gerne.« Aber auch er freute sich anscheinend insgeheim, dass mal wieder seine Ortskenntnisse benötigt wurden. »Dann macht ihr euch am besten morgen auf den Weg, es ist ein ganzer Tagesmarsch bis dort. Ihr wendet euch da am besten an die Sippe der Egura. Nestas ist dort die Älteste, sie ist eine alte Freundin von mir. Wenn dir jemand helfen kann, dann sie.«
    Damit war dieses Thema erledigt, und Sarahs unzählige Fragen mussten erst einmal hinten anstehen. Denn das weitere Gespräch drehte sich um Alltagsprobleme der Sippe, so dass sie nicht stören wollte. Sie hatte Zeit zum Nachdenken.
    Wo bin ich hier? Wie bin ich hier hergekommen? Wie komme ich zurück? Das waren offensichtlich die dringlichsten Fragen.
    Sarah war dankbar, dass man ihr bereitwillig half, den Weg zurück nach Hause zu finden. Ihre neue Freundin war sichtbar begeistert von der Vorstellung, endlich einmal Eridu kennen zu lernen. Diese Menschen waren nett, auch wenn sie einfacher lebten.
    Sie nahm einen Schluck Wasser aus einem Tonkrug, den ihr Schena anbot. Dieser war mit Linienmustern verziert, wie sie die nur von Tattoos mit Kelten - oder Indianermotiven kannte. Sie schaute sich den Krug genauer an. »Tribal« dachte sie, war das Wort dafür. Man konnte mit einiger Fantasie Schlangen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher