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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert
Autoren: Mark Childress
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für sie über den Haufen zu werfen. (Zu dieser Entscheidung schienen sie immer zu gelangen, ohne sich vorher mit Georgia zu beraten.)
    Sie sah schon, wie es jetzt laufen würde. Eugene hatte vor,
seine Untreue hier vor Gott und der Welt zu gestehen. Vor Brenda und seinen reizenden Töchtern und der ganzen Gemeinde wollte er verkünden, dass er Georgia zu sehr liebe, um noch weiter mit einer Lüge zu leben.
    Es war immer dasselbe: die Midlife-Crisis. Der verzweifelte Versuch eines Mannes, sich noch ein letztes Mal jung zu fühlen, bevor dann die langsame Rutschpartie ins Grab begann. Aber Eugene war erst zweiunddreißig – und ein Feigling. Er musste seine Erklärung vor Zeugen abgeben. Sonst würde er es nicht durchziehen.
    Ihm war nur nicht klar, dass er hier nicht nur Georgias Ruf aufs Spiel setzte. Ein einziges Wort würde sehr viel mehr zerstören.
    Sie musste ihn stoppen.
    Ein Blick auf Ava Jean McCall, die an der Orgel döste, und das Wort Spuckebällchen kam ihr in den Sinn, ein Wort, an das Georgia seit zwanzig Jahren nicht mehr gedacht hatte. Sie öffnete ihre Handtasche – ja, sie hatte einen Strohhalm aus dem Dairy Dog und einen Kassenzettel, von dem sie eine Ecke zerkauen … und dann damit auf Ava Jeans Ohr zielen und sie so erschrecken könnte, dass sie ein Geräusch hervorbrächte, das Eugene daran hinderte, den größten Fehler seines Lebens zu begehen.
    Aber wenn Ava Jean sich das nasse Kügelchen einfach vom Hals wischte? Oder wenn sie kurz japste und Eugene einfach weiterredete?
    Georgia musste ihn stoppen, bevor er Gelegenheit hatte, ihren Namen auszusprechen.
    »Auf meiner Seele liegt eine schwere Last, und ich brauche eure Hilfe, um sie herunterzuheben«, sagte er jetzt. »Es war keine leichte Entscheidung.«

    Georgia stand auf. Der kürzeste Weg aus der Bank führte nach links, aber sie musste dafür sorgen, dass Eugene sie bemerkte. Also raffte sie ihre große, klirrende Handtasche an sich und bahnte sich einen Weg in die andere Richtung, auf den Mittelgang zu. Alle in der Bank mussten die Knie zur Seite drehen, um sie durchzulassen. Geraldine Talby funkelte sie verärgert an.
    Georgia klimperte mit den Wimpern und konzentrierte sich darauf, benommen auszusehen. Sie war eine großartige Schauspielerin. Jeder konnte sehen, wie sie von Sekunde zu Sekunde blasser wurde.
    »Ich habe euch alle belogen, und ich habe mich selbst belogen«, hörte sie Eugene sagen. »Je länger ich deswegen gebetet habe, desto klarer ist mir geworden … ich kann einfach nicht weiter mit dieser Lüge leben.«
    Georgia achtete darauf, dass sie wirklich in der Mitte des Gangs war und der Abstand zu den Bänken auf beiden Seiten genügte. Sie wollte sich ja nicht verletzen. Ihre Lider flatterten. Ihre Augen rollten nach oben. Alle Muskeln in ihrem Körper erschlafften, und sie sackte auf dem Teppichläufer zusammen – ein höchst überzeugender und damenhafter Ohnmachtsanfall.
    Sie hörte Schreie und einen männlichen Schreckensruf: »Sie ist umgekippt!«
    In jeder Versammlung ist ein Genie, dachte Georgia.
    Wie hingegossen lag sie da, einen Arm kunstvoll über das Gesicht drapiert.
    Sie spürte das Vibrieren des Fußbodens, als die Leute aufsprangen, um ihr zu helfen.
    Die Regeln der Ohnmacht erforderten, dass sie die Augen geschlossen hielt und den Unterkiefer ein bisschen erschlaffen
ließ – natürlich nicht so, dass es unattraktiv aussah, und gerade lange genug, um überzeugend zu wirken.
    Tatsächlich fühlte es sich ganz nett an, so ausgestreckt auf dem Teppich zu liegen. Ein bisschen kühler als beim Sitzen in der Bank. Hoffentlich würde niemand ihr Wasser ins Gesicht spritzen.
    Der wahre Zweck ihres Manövers musste für jeden, der bei Eugenes Predigt zugehört hatte, offenkundig sein. Georgia hoffte, dass niemand aufgepasst hatte.
    Eins war sicher: Er würde seine Predigt heute nicht mehr beenden.
    »Ich glaube, ihr fehlt nichts.«
    Georgia erkannte Brenda Hendrix’ Sägezahnstimme, und sie fühlte das Gewicht von Brendas Schatten, der sie niederdrückte. Sie war froh, dass sie ihr figurbetontes, salbeigrünes Ann-Taylor-Kostüm ausgesucht hatte. Selbst auf dem Boden hingestreckt musste sie fantastisch aussehen, und Brenda würde platzen vor Neid.
    »Mommy, ist sie tot?«
    »Sie ist nur in Ohnmacht gefallen, Schatz«, sagte Brenda. »Damen tun das manchmal.«
    »Tretet zurück, Leute, damit sie Luft kriegt!« Richter Jackson Barnetts Gerichtssaal-Bariton wurde vom Geruch des geschälten Knoblauchs
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