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Haben Sie das von Georgia gehoert

Haben Sie das von Georgia gehoert

Titel: Haben Sie das von Georgia gehoert
Autoren: Mark Childress
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begleitet, den er in der Tasche bei sich trug und den ganzen Tag über wie Nüsse knabberte. Kein Vampir würde Richter Barnett je zu fassen kriegen. Georgia hörte, wie seine Knie knackten, als er in die Hocke ging und ihre Hand nahm.
    Sie ließ ihre Augenlider heraufschweben. »Ja hey, Richter. Wo bin ich?«
    »Hier, Miss Georgia. In der Kirche.« Der Richter verbarg
seine Sorge hinter einem Lächeln. »Ich glaube, Sie sind ohnmächtig geworden. Haben Sie denn ordentlich gefrühstückt heute Morgen?«
    »Aber natürlich. Das tue ich doch immer.« Sie wollte sich aufsetzen, aber alle Männer riefen sofort: »Nein! Noch nicht!« Sie ließ sich dazu überreden, sich wieder hinzulegen. »Wie peinlich! Das macht die Hitze, glaube ich. Mir war ein bisschen schwindlig, ich wollte mir ein Glas Wasser holen, und im nächsten Moment …« Sie drehte die Hand in einer Kippbewegung.
    »Das macht weniger die Hitze«, sagte der Richter, »als vielmehr die Luftfeuchtigkeit.«
    »Da ist was dran«, erwiderte Georgia.
    »Entscheidend ist, dass es Ihnen gut geht«, erklärte Brenda Hendrix. »Ich an Ihrer Stelle würde jetzt aufstehen, um den Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen.«
    Für Brenda war es sicher mörderisch, Georgia so im Zentrum der Aufmerksamkeit zu sehen. Eine ganze Reihe von besorgten Gentlemen war ihr zu Hilfe geeilt: der Richter, Sheriff Allred, Lon Chapman von der First National Bank, Jimmy Lee Newton, dem die Lokalzeitung, der Light-Pilot, gehörte, und jetzt kam auch Dr. Ted Horn, um ihr den Puls zu fühlen. Die mächtigsten Männer der Stadt schubsten einander zur Seite und machten großes Theater um Georgia.
    Auch die Frauen gluckten um sie herum und gaben ihre eigenen Ohnmachtsgeschichten zum Besten. Alle in Six Points liebten Georgia. Sie hatten Little Mama geliebt, als sie an der städtischen Telefonvermittlung gesessen hatte, bevor die privaten Telefonanschlüsse gekommen waren. Als ihre Tochter Georgia zu einer schönen, fröhlichen Frau heranwuchs,
liebten sie sie ebenfalls. Ihr Leben lang war sie in der Stadt allgegenwärtig und an allem beteiligt, was Six Points zu bieten hatte. Wie konnte irgendjemand sie nicht lieben? Sie hatte sich nicht vorgenommen, ein Star zu werden, aber in einem Ort wie Six Points war es unausweichlich, dass jemand mit ihren Qualitäten entweder ganz nach oben gelangte oder machte, dass er aus der Stadt verschwand.
    »Glauben Sie, sie wird wieder, Doc?« Jimmy Lee Newtons schrilles Kichern hörte man nur, wenn er nervös war.
    »Der Puls ist gut«, antwortete der Arzt. »Georgia, bleiben Sie hier; ich hole meine Tasche aus dem Wagen.«
    »Ach, Ted, kommen Sie, ist das denn nötig?«
    »Ich glaube, ja. Seien Sie ein braves Mädchen.«
    Georgia hatte damit angefangen, jetzt musste sie das Ganze zu Ende spielen. Sie sah, dass Eugene Hendrix hinter seiner Frau stand – nein, sich hinter ihr versteckte, die Hände in den Falten seiner schwarzen Soutane verborgen. Als Georgia ihn ansah, wandte er sich ab. »Bringt sie ins Chorzimmer«, sagte er, ohne sich an jemanden Speziellen zu wenden. »Da ist ein Sofa.«
    »Aber, Reverend, niemand muss irgendjemanden irgendwo hinbringen«, sagte Georgia mit glockenheller Stimme. »Leute, mir geht’s prima. Darf ich mich aufsetzen?« Diesmal hinderte sie niemand daran. »Seht ihr? Schon viel besser. Das war ein kleiner Schwächeanfall, weiter nichts.«
    »Die Schwermut«, sagte Martha Barnett, die Frau des Richters. »Der Himmel weiß, die kennen wir alle.« Die anderen Damen stimmten zu.
    Der Richter und Jimmy Lee halfen Georgia auf die Beine. Die halbe Gemeinde hatte sich um sie geschart, um zu sehen, ob es ihr wieder gut ging. Die andere Hälfte flüchtete
zu ihren Autos für den Fall, dass Eugene auf den Gedanken käme, seine Predigt fortzusetzen.
    Georgia ließ sich die zwei Stufen zum Chorzimmer hinaufhelfen. Eine mit grünem Cord bezogene durchgesessene Couch stand unter einem Découpage-Bild, das Jesus beim Umstürzen der Wechslertische im Tempel zeigte. Es roch penetrant nach der Lasagne vom Gemeindeabend am Mittwoch. Georgia dachte mit Grausen daran, dass ihr Ann-Taylor-Kostüm von diesem Geruch durchdrungen werden sollte, aber das war der Grund, weshalb Gott die chemische Reinigung ersonnen hatte. Sie ließ sich auf das Sofa sinken, um auf Ted Horn zu warten.
    Louise Gingles brachte ihr einen Becher Wasser und ein feuchtes Papierhandtuch. Martha Barnett erzählte, wie ihre Schwiegermutter auf ihrer eigenen Hochzeit in Ohnmacht
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