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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben
Autoren: Ernest Hemingway
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muß ich jetzt anfangen, irgendwas zu tun. Es ist noch keiner zurückgekommen, wenn er tot ist.
    Gott, wie er war, so keß und stark und schnell und irgendwie wie ‘n kostbares Tier. Es haute mich immer hin, wenn ich ihm zusah, wie er sich bewegte. Ich hab so ein Glück gehabt, daß ich ihn all die Zeit über hatte. Sein Glück ging zuerst in Kuba in die Brüche. Dann wurde es immer schlimmer und schlimmer, bis ihn ein Kubaner getötet hat.
    Kubaner bringen conchs immer Pech. Kubaner bringen allen Menschen Pech. Die haben da auch zu viele Nigger. Ich besinn mich an damals, als er mich nach Havanna mitnahm, als er so viel Geld machte, und wir im Park spazierengingen, und ein Nigger was zu mir sagte, und Harry ihm eine langte und seinen Strohhut, der hingefallen war, aufhob, und ihn ungefähr einen halben Block weit durch die Luft segeln ließ und ein Taxi ihn überfuhr. Ich hab so gelacht, daß mir der Bauch weh tat.
    Das war damals das erste Mal, daß ich mir mein Haar blond färben ließ, da in dem Schönheitssalon auf dem Prado. Den ganzen Nachmittag haben sie es bearbeitet, und es war von Natur so dunkel, daß sie es erst nicht machen wollten, und ich hatte Angst, daß es schrecklich aussehen würde, aber ich sagte ihnen immer wieder, sie sollten doch versuchen, es etwas heller zu machen, und der Mann fuhr mit einem Orangeholzstäbchen mit Watte an einem Ende darüber hin; er tauchte es in die Schüssel und den Kamm auch, in der das rauchartige Zeugs darin war, wie’s so dampfte, und er teilte die Haare überall ab mit dem einen Ende von dem Stäbchen und dem Kamm und betupfte sie dann, und dann ließ er sie trocknen, und ich saß da und hatte eine Todesangst in mir, wegen dem, was ich mir da machen ließ, aber alles, was ich sagte, war: Ach, sehen Sie doch zu, ob Sie es nicht ein bißchen heller machen können.
    Und schließlich sagte er, das ist wohl gerade so blond, wie ich es ohne Risiko machen kann, Madame, und dann schamponierte er es und ondulierte es, und ich hatte direkt Angst, hinzusehen, weil ich fürchtete, daß es entsetzlich aussehen würde, und er ondulierte es und zog mir einen Scheitel auf der Seite und teilte es hoch hinter den Ohren ab und machte lauter kleine, feste Löckchen hinten, und weil es noch naß war, konnte ich nicht beurteilen, wie es aussah, außer daß ich ganz verändert aussah und ich mir selbst ganz fremd vorkam. Und er legte ein Netz darüber, wie’s noch naß war, und setzte mich unter eine Trockenhaube, und die ganze Zeit über hatte ich Todesangst. Und dann, als ich unter dem Trockner herauskam, nahm er das Netz ab und zog die Nadeln heraus und kämmte es aus, und es war genau wie Gold.
    Und ich kam aus dem Geschäft heraus und sah mich im Spiegel, und es glänzte in der Sonne und war so weich und seidig, als ich es mit der Hand anfaßte, und ich konnte nicht glauben, daß ich das war, und ich war so aufgeregt darüber, daß es mich ordentlich würgte.
    Ich ging den Prado runter ins Café, wo Harry wartete, und ich war so aufgeregt, und mir war ganz komisch, richtig schwummerig, und er stand auf, als er mich kommen sah, und er konnte seine Augen nicht von mir losreißen, und seine Stimme war ganz belegt und komisch, als er sagte:
    «Jesus, Marie. Gott, bist du schön!»
    Und ich sagte: «Magst du mich so blond?»
    «Sag nichts», sagte er. «Komm, wir gehen ins Hotel.»
    Und ich sagte dann: «Okay, gehen wir.» Damals war ich sechsundzwanzig.
    Und so war er immer mit mir, und so war es für mich immer mit ihm. Er sagte, er hat nie was wie mich gehabt, und ich weiß, so wie ihn gab’s sonst keine anderen Männer nicht. Ich weiß es zu verdammt genau, und jetzt ist er tot.
    Jetzt muß ich mit irgendwas anfangen. Ich weiß, ich muß. Aber wenn man so einen Mann gehabt hat, und irgendein lausiger Kubaner schießt ihn tot, dann kann man nicht einfach gleich anfangen, weil alles in einem kaputt ist. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Es ist nicht so, wie wenn er auf Tour fort ist. Dann kam er ja immer wieder, aber jetzt muß ich bis an mein Lebensende so weitermachen. Und jetzt bin ich dick und häßlich und alt, und er ist nicht da, um mir zu sagen, daß ich’s nicht bin. Wahrscheinlich müßte ich mir jetzt einen Mann dazu mieten, und dann würde ich ihn nicht wollen. Also so geht’s einem im Leben. Ja, so geht’s einem im Leben also.
    Und er war so gottverflucht gut zu mir und zuverlässig auch, und er hat immer irgendwie Geld verdient, und ich hab mir niemals um Geld
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