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Haben oder Nichthaben

Haben oder Nichthaben

Titel: Haben oder Nichthaben
Autoren: Ernest Hemingway
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ist er. Ich wünschte, er hätte sich nicht so betrunken. Alle Männer haben irgend so was. Sieh dir nur mal Johns Leber an. Natürlich kann man sie nicht ansehen. Sie muß einfach schrecklich aussehen. Ich bin froh, daß man sie nicht sehen kann. Aber eigentlich ist nichts an einem Mann wirklich häßlich. Es ist komisch, daß sie’s aber glauben. Aber wahrscheinlich eine Leber doch. Oder Nieren. Nieren en brochette. Wieviel Nieren hat man eigentlich? Fast von allem gibt’s zwei, bis auf Magen und Herz. Und Gehirn natürlich. So, das wären hundert. Ich bürste mir zu gern die Haare. Es ist beinahe das einzige, was man tut, das gut für einen ist und das Spaß macht. Ich meine allein. Ach, Eddy ist so süß. Wenn ich nun einfach zu ihm reinginge? Nein, er ist zu betrunken. Armer Kerl. Ich werde das Luminal nehmen.
    Sie besah sich ihr Spiegelbild. Sie war außergewöhnlich hübsch, mit einer kleinen, sehr zierlichen Figur. Es geht noch, dachte sie. Manches ist weniger gut als manches andere, aber für eine Weile geht es noch. Aber man muß schlafen. Schlaf ist was Wunderbares. Ich wünschte, ich könnte einmal richtig und natürlich schlafen, so wie man schlief, als man ein Kind war. Wahrscheinlich kommt es von dem Erwachsenwerden und Heiraten und Kinderkriegen und dann dem zuviel Trinken, und dann, daß man all die Sachen tut, die man nicht tun sollte. Wenn man gut schlafen könnte, wäre wahrscheinlich nichts von alldem schlecht für einen. Außer zuviel trinken, wahrscheinlich. Der arme John und seine Leber und Eddy. Auf jeden Fall ist Eddy ein Schatz. Er ist süß. Ich nehm lieber das Luminal. Sie schnitt sich eine Grimasse im Spiegel.
    Nimm lieber das Luminal, sagte sie im Flüsterton. Sie nahm das Luminal mit einem Glas Wasser aus der chromplattierten Karaffe, die auf dem Schränkchen neben ihrem Bett stand.
    Es macht einen nervös, dachte sie. Aber man muß schlafen. Wie Eddy wohl sein würde, wenn wir verheiratet wären? Wahrscheinlich würde er mit einer Jüngeren rumlaufen. Wahrscheinlich können sie nichts dafür, wie sie nun mal gebaut sind, ebensowenig wie wir. Ich will einfach viel davon, und dann geht’s mir glänzend, und daß es ein anderer oder ein Neuer ist bedeutet eigentlich gar nichts. Es ist einfach die Sache an sich, und man würde sie ewig lieben, wenn sie einem das immer gäben. Denselben meine ich. Aber sie sind nicht so beschaffen. Sie wollen irgendeine andere oder Jüngere, oder jemand, den sie nicht haben können, oder irgendeine, die einer anderen ähnlich sieht. Oder sie wollen eine Blondine, wenn man brünett ist, oder sie laufen einem Rotkopf nach, wenn man blond ist. Oder wenn man ein Rotkopf ist, dann ist es wieder irgend etwas anderes. Vielleicht ein jüdisches Mädchen, und wenn sie wirklich übersättigt sind, dann wollen sie eine Chinesin oder eine Lesbierin, oder der Himmel weiß was noch. Ich weiß nicht. Oder wahrscheinlich werden sie einfach müde. Man kann ihnen keine Schuld geben, wenn sie eben so sind, und ich kann nichts dafür, daß John so viel getrunken hat, daß er zu nichts mehr taugt. Er taugte was. Er war fabelhaft.
    Wirklich. Das war er, wahrhaftig. Und Eddy ist fabelhaft. Aber jetzt ist er betrunken. Wahrscheinlich werde ich als Hure enden. Vielleicht bin ich bereits eine. Wahrscheinlich weiß man es nicht, wenn man eine wird. Nur ihre besten Freunde würden es ihr sagen. Man liest es nicht im Lokalteil. Das wäre was für Mr. Winchell, eine gute neue Anzeige: Sauerei, Mrs. John Hollis ferkelte von der Küste in die Stadt. Besser als Babies. Verbreiteter wahrscheinlich. Aber Frauen haben wirklich nichts zu lachen. Je besser man einen Mann behandelt, und je mehr man ihm zeigt, daß man ihn liebt, um so eher wird er der Sache überdrüssig. Wahrscheinlich sind die Guten so beschaffen, daß sie eine Menge Frauen haben müssen, aber es ist furchtbar anstrengend, wenn man versucht, all die verschiedenen Frauen in sich zu verkörpern, und wenn er dann davon genug hat, nimmt irgendein Küken ihn einem einfach weg. Wahrscheinlich enden wir alle als Huren, aber wer kann dafür? Die Huren haben eigentlich am meisten Spaß, aber man muß furchtbar dumm sein, um eine gute Hure zu sein. Wie Helene Bradley. Dumm und wohlmeinend und furchtbar egoistisch, um eine gute zu sein. Wahrscheinlich bin ich jetzt schon eine. Man sagt, daß man es selbst nicht weiß und daß man immer glaubt, daß man es nicht ist. Es muß doch Männer geben, die es und einen niemals überbekommen.
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